Richter 1
Judges 1 Kingcomments Bibelstudien

Einleitung

Vorwort

Das Buch Richter hat durch seine beeindruckenden Geschichten, die sehr realistisch beschrieben werden, immer eine große Anziehungskraft auf den Leser ausgeübt, auch auf mich. Als ich mich zur Vorbereitung von Bibelstudien und biblischen Vorträgen intensiv mit diesem Buch der Bibel zu beschäftigen begann, erfuhr ich aufs Neue die große Kraft und Aktualität, die von diesem Teil des Wortes Gottes ausgeht.

Bei dieser Vorbereitung habe ich dankbar herangezogen, was andere bereits über dieses Buch in Wort und Schrift weitergegeben haben. Der Kommentar beansprucht also nicht, in allem originell zu sein. Wohl habe ich versucht, die Ereignisse des Buches Richter in unsere Zeit zu „übersetzen“. Um dies verantwortbar tun zu können, habe ich so weit wie möglich versucht, meinen Kommentar mit dem Neuen Testament zu untermauern. Die Schrift besteht aus dem Alten und dem Neuen Testament und kann nicht aufgelöst werden (Joh 10,35). Die Auslegung und Anwendung eines Verses (oder Abschnitts) aus der Schrift muss durch einen anderen Schriftabschnitt bestätigt werden (vgl. 2Pet 1,20).

Ich hoffe, dass der Leser beim Lesen den Herrn um die Erleuchtung des Heiligen Geistes bittet und untersucht, ob sich diese Dinge so verhalten (Apg 17,11). Es ist mein Gebet, dass der Leser sich dafür öffnet, die kräftige Wirkung dieses Teils des Wortes Gottes zu erfahren, und dass die Auswirkung davon in seinem Leben sichtbar sein wird. Alles zur Ehre Gottes und zu eigenem Segen sowie zum Segen seines Volkes.

Ger de Koning
Middelburg, Januar 1997 / überarbeitete Fassung: August 2019

Allgemeines

Das Buch Richter beschreibt das Versagen des Volkes Israel bei der Inbesitznahme des Landes Kanaan, das es von Gott erhalten hatte. Doch das ist nicht sein einziger Inhalt. Wir lesen auch über das Eingreifen des Gottes der Erbarmungen, der für sein versagendes Volk Partei ergreift, als es seine Hilfe in Anspruch nimmt. Er lässt sein Volk nicht mit den Ergebnissen seiner Untreue im Stich.

Kurz gesagt, zeigt uns dieses Buch die Untreue des Volkes Gottes und die Treue Gottes. Die Geschichte der Christenheit, von der wir ein Teil sind, zeigt das Gleiche. Weil der Mensch sich nicht verändert hat und auch Gott nicht, ist dieses Buch für unsere Zeit aktuell.

Die Bedeutung des Buches Richter für die Gemeinde

Das Buch Richter beschreibt also das Versagen Israels, des irdischen Volkes Gottes. Worin bestehen nun die Bedeutung und der Wert des Buches Richter für die Gläubigen der Gemeinde? Die Bibel gibt selbst an, dass wir der Geschichte des Volkes Gottes, die im Alten Testament aufgezeichnet ist, Lektionen entnehmen dürfen. Die Bibel ruft uns sogar dazu auf. In 1. Korinther 10 steht, dass alles, was Israel widerfahren ist, ihnen widerfahren ist „als Vorbilder für uns“ (1Kor 10,6) und „als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1Kor 10,11). Wir lesen auch: „Denn alles, was zuvor [d. h. im Alten Testament] geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben“ (Röm 15,4).

Wenn wir also die Ereignisse aus dem Buch Richter auf die Zeit anwenden wollen, in der wir, Gläubige des Neuen Testaments, leben, entsprechen wir dem Ziel, zu welchem Gott diese Geschichten aufschreiben ließ. Er möchte uns dazu bringen, danach zu streben, nicht denselben Fehlern wie Israel zu verfallen.

Die Lektion für die Gemeinde

Der Gemeinde ist es genauso ergangen wie Israel. Auch die Gemeinde hat viele Segnungen von Gott empfangen. Das sind keine irdischen Segnungen, wie es bei Israel der Fall war. Israel erhielt ein Stück Land, und dieses Land war randvoll mit Schätzen (5Mo 8,7-10). Die Segnungen, die die Gemeinde empfangen hat, sind geistliche, himmlische Segnungen. Wir können diese vor allem im Brief an die Epheser finden. Darin lesen wir, dass Gott den Gläubigen „zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst“ (Eph 1,5) und dass alle Gläubigen der Gemeinde zusammen mit dem Herrn Jesus über alles erhaben sind (Eph 1,10), und noch vieles mehr.

Diese Segnungen hat die Gemeinde aufgrund des Werkes des Herrn Jesus am Kreuz und aufgrund seiner Verherrlichung im Himmel empfangen. Als der Herr Jesus in den Himmel zurückgekehrt war, hat er den Heiligen Geist auf die Erde gesandt (Joh 7,37-39), durch den alle Gläubigen zu einer Einheit miteinander und mit dem Herrn Jesus im Himmel zusammengefügt worden sind. Diese himmlischen Segnungen hat Gott der Gemeinde seit dem Augenblick gegeben, wo sie am Pfingsttag durch die Ausgießung des Heiligen Geistes entstanden war (Apg 2,1-4; 1Kor 12,13).

Damals wusste die Gemeinde noch nicht, wie reich sie tatsächlich war. Vor allem der Apostel Paulus ist von Gott dazu gebraucht worden, ihr die Segnungen bekannt zu machen. Paulus hat in verschiedenen Briefen darüber geschrieben, vor allem aber im Brief an die Gemeinde in Ephesus. Um diese Segnungen kennenzulernen, ist es also wichtig, dass ein Gläubiger die Bibel liest und dass er sein Leben danach ausrichtet. Das heißt, dass er in dem Bewusstsein auf der Erde lebt, dass sein wahres Leben droben ist, „verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kol 3,3).

Was hat die Gemeinde aber mit all diesen Segnungen getan? Die Gemeinde vergaß schon sehr schnell, dass sie mit dem Herrn Jesus im Himmel verbunden ist und dass sie solche himmlischen Segnungen besitzt. Sie hat immer mehr begonnen, sich mit den Dingen der Welt zu beschäftigen, als ob sie hier auf der Erde zu Hause wäre und nicht im Himmel. Die „erste Liebe“, die wichtigste Liebe, die Liebe zum Herrn Jesus, dem sie alles zu verdanken hat, wurde „verlassen“ (Off 2,4). Dadurch ist sie in eine Abwärtsspirale hineingekommen, und deshalb geht jetzt noch so wenig von der Gemeinde aus.

Dennoch ist es immer möglich, die Segnungen Gottes zu genießen. Das ist der Fall, wenn Untreue bekannt wird und man sich auf die Gnade Gottes beruft. Dann schafft Er Abhilfe, genauso wie damals bei Israel. Nicht, dass die Gemeinde als Ganzes wiederhergestellt wird. Das ist auch im Buch Richter im Blick auf Israel nicht der Fall gewesen. Was wir jedoch sehen, ist, dass Gott durch die Treue Einzelner doch dem ganzen Volk oder einem Teil davon Segen gibt. Das gilt auch für die heutige Gemeinde. Die Treue eines Einzelnen hat oft positive Folgen für viele.

Ein kurzer Rückblick

Um die historische Periode der Ereignisse, die im Buch Richter berichtet werden, anzugeben, ist es gut, auf das Buch zurückzublicken, das ihm vorausgeht, nämlich das Buch Josua. Darin wird erzählt, wie das Volk unter der Führung Josuas in das Land einzog. Josua 1–12 berichten uns über die Fortschritte, die bei der Inbesitznahme des Landes gemacht wurden. Viele Feinde wurden besiegt, und viel Land wurde in Besitz genommen. Doch es blieb nach Josua 12 noch Land zur Eroberung übrig. Gott sagt zu Josua: „Vom Land ist sehr viel übrig, in Besitz zu nehmen“ (Jos 13,1).

Ab Josua 13 wird das Land eingeteilt und jeder Stamm bekommt sein Erbteil zugewiesen. Daraus folgt, dass das Volk zwei Aufträge hat:
1. Es muss verteidigt werden, was bereits erobert worden ist.
2. Es muss in Besitz genommen werden, was noch in den Händen des Feindes ist.

Dafür müssen Kämpfe geführt werden, denn der Feind hat nicht die Absicht, sein Gebiet widerstandslos preiszugeben. Das Buch Josua zeigt uns das Erbteil und den Segen des irdischen Volkes Gottes, Israel; das Buch Richter teilt uns die Geschichte dieses Volkes mit, wie es in der Praxis mit dem erhaltenen Segen umgeht.

Warum Kampf?

Hätte Gott nicht dafür sorgen können, dass der Feind sich von vornherein ergeben hätte? Sicher hätte Gott das tun können. In 1. Mose 35 lesen wir: „Und der Schrecken Gottes kam über die Städte, die rings um sie her waren, so dass sie den Söhnen Jakobs nicht nachjagten“ (1Mo 35,5). Etwas Derartiges hätte Er hier tun können. Er hätte seinen Schrecken auf die Feinde fallen lassen können. Er hätte sie auch einfach „durch den Hauch seines Mundes“ (2Thes 2,8) oder durch „ein scharfes zweischneidiges Schwert“ aus seinem Mund (Off 19,15) beseitigen können.

Aber Gott hat zu jeder Zeit seine spezifische Handlungsweise mit den Menschen im Allgemeinen und mit seinem Volk im Besonderen. Er verfolgt damit das Ziel, den Menschen erkennen zu lassen, dass dieser Ihn nötig hat. Nur dann, wenn er alles mit und für Gott tut, kann der Mensch glücklich sein. So verfolgt Gott eine besondere Absicht damit, wenn er feindliche Völker in dem Land wohnen lässt, nämlich, um sein Volk auf die Probe zu stellen.

Die Erprobung ist folgende: Würden sie im Kampf auf ihre eigene Kraft vertrauen oder auf Ihm? Würden sie sich anstrengen wollen, um das in Besitz zu nehmen, was Gott ihnen geschenkt hatte, oder würde das, was Gott ihnen gegeben hatte, sie nicht so sehr interessieren? Im ersten Fall zeigen sie, dass sie seine Segnungen schätzten. Im zweiten Fall werden sie dem Feind zugestehen, in ihrem Land zu wohnen, mit der Folge, dass der Feind ihnen den Segen raubt. Die Erprobung zeigt, worauf ihr Herz gerichtet ist.

Der endgültige Segen

Wenn sich nun zeigt, dass das Volk durch seine Untreue allen Segen verspielt, wie soll sich dann zum Schluss die Treue Gottes erweisen? Es wird deutlich werden, dass Israel allein unter der Herrschaft seines Messias, des Herrn Jesus Christus, gesegnet wird, der durch seine Macht den Segen einführen wird und durch dieselbe Macht den Segen instand halten wird. Der Feind wird dann keinen Hauch einer Chance haben, dem Volk den Segen zu rauben.

Das Buch Ruth, das in der Zeit der Richter spielt (Rt 1,1), schließt mit dem Namen „David“ ab. Wenn David König werden wird, wird er mit den Feinden abrechnen und den Segen für das Volk sicherstellen. In David sehen wir einen wunderbaren Hinweis auf den Herrn Jesus, der dasselbe für sein Volk Israel tun wird, wenn Er auf die Erde zurückkommt.

Der Verfall vorausgesagt

Der Verfall, in den das Volk Gottes hineingekommen war und der im Buch Richter beschrieben wird, ist von Josua vorausgesagt worden. Josua hat in seiner Abschiedsrede, die sich an Israel, „seine Ältesten und seine Häupter und seine Richter und seine Vorsteher“, richtete, also an die Menschen mit Verantwortung im Volk, davor gewarnt (Jos 23,2). Er sagt zu ihnen: „Denn wenn ihr euch irgend abwendet und euch an den Rest dieser Nationen hängt, an die, die bei euch übriggeblieben sind, und ihr euch mit ihnen verschwägert und unter sie kommt und sie unter euch: So wisst bestimmt, dass der HERR, euer Gott, nicht fortfahren wird, diese Nationen vor euch zu vertreiben; und sie werden euch zur Schlinge werden und zum Fallstrick und zur Geißel in euren Seiten und zu Dornen in euren Augen, bis ihr umkommt aus diesem guten Land, das der HERR, euer Gott, euch gegeben hat“ (Jos 23,12; 13).

Diese prophetischen Worte ähneln dem, was der Apostel Paulus später zu den Ältesten der Gemeinde in Ephesus sagt (Apg 20,29; 30). Dort warnt er diese Ältesten vor den Abweichungen, die nach seinem Abscheiden kommen würden. Ephesus ist die Gemeinde, der er ausgelegt hat, mit welchen besonderen Segnungen Gott den einzelnen Gläubigen und die Gemeinde als Ganzes gesegnet hat.

Im letzten geschriebenen Brief, den wir von Paulus im Neuen Testament haben, seinem zweiten Brief an Timotheus, spricht er über dieselben Dinge mit Bezug auf den Verfall, der sich nach seinem Abscheiden vollziehen würde. Bemerkenswert ist, dass Timotheus sich damals (möglicherweise) in genau dieser Stadt Ephesus befand. Wir sehen, wie immer wieder eine Parallele zwischen Israel damals und der Gemeinde heute zu ziehen ist.

Eine prophetische Anwendung

Nach der Periode, die im Buch Richter beschrieben wird, folgen die Geschichten von den Königen Saul, David und Salomo. Wir finden sie in den Büchern 1. Samuel und 2. Samuel und 1. Könige und 2. Könige. Für die Christenheit ist der Zeitabschnitt des Buches der Richter mit der Zeit zu vergleichen, die nach dem Abscheiden der Apostel anbricht, dem nach-apostolischen Zeitalter. Dieser Zeitabschnitt wird mit der Entrückung der Gemeinde abgeschlossen.

Wenn wir die Ereignisse, die nach der Entrückung der Gemeinde stattfinden, mit Saul, David und Salomo vergleichen, erhalten wir das folgende Bild. Nach der Entrückung der Gemeinde wird der Antichrist, von dem Saul ein Bild ist, sich offenbaren. Der Antichrist wird das Volk ins Verderben stürzen. Aber der Herr Jesus, der wahre David, wird erscheinen und für alle, die nach Ihm Ausschau gehalten haben, den lange erwarteten Frieden bringen. Dazu wird Er die Feinde richten. Sofort anschließend wird Er als der wahre Salomo das 1000-jährige Friedensreich aufrichten. Diese Ereignisse, die nach der Entrückung der Gemeinde stattfinden werden, werden im Buch der Offenbarung ab Kapitel 6 beschrieben.

Die Geschichte der Gemeinde auf der Erde

Eine Beschreibung der Geschichte der Gemeinde auf der Erde vor ihrer Entrückung treffen wir in Offenbarung 2 und 3 an. In den sieben Sendschreiben, die darin enthalten sind, finden wir eine prophetische Skizze der Geschichte der Gemeinde auf der Erde. Daraus wird deutlich, dass auch die Gemeinde, Gottes Volk des Neuen Testaments, ebenso wie Israel, Gottes Volk des Alten Testaments, immer weiter von ihrer hohen Berufung abgewichen und in Verfall geraten ist. Schließlich wird sie als etwas Ekelhaftes vom Herrn Jesus aus seinem Mund ausgespien (Off 3,16).

Es ist bezeichnend, wie die Beschreibung des Verfalls in Offenbarung 2 und 3 mit dem Sendschreiben an Ephesus beginnt – dieser Gemeinde konnte Paulus früher den vollen Ratschluss Gottes über die himmlische Stellung der Gemeinde entfalten – und mit Laodizea und seinem Zustand endet. Der Ordnung halber: Es geht hier um die Gemeinde in ihrer Verantwortlichkeit und nicht um die Gemeinde nach dem Ratschluss Gottes.

Der Mensch verdirbt alles

Was mit der Gemeinde geschieht, ist nicht neu. Es ist mit allem geschehen, was der Verantwortung des Menschen anvertraut worden ist. Hieraus wird deutlich, wie untreu der Mensch von Natur aus ist. Das wird unseren Hochmut und unsere Anmaßung vermindern und unsere Niedrigkeit und Abhängigkeit zunehmen lassen.

Alles, was von Gott gut gemacht worden ist, ist vom Menschen verdorben worden:
1. Man blicke nur auf Adam: ein prachtvoller Garten, ein Paradies mit wunderbaren Segnungen, aber Adam sündigt und der Fluch kommt über die Schöpfung.
2. Man blicke nur auf Noah: Noah wird während der Sintflut gerettet und kommt auf eine gereinigte Erde, doch er betrinkt sich und verhält sich seiner Autorität unwürdig, die Gott ihm gegeben hatte.
3. Man blicke nur auf Israel: Noch gerade erst aus der ägyptischen Sklaverei befreit, machen sie ein goldenes Kalb, und Gottes Zorn muss sie treffen.
4. Mit dem Priestertum geht es nicht anders: Beinahe unmittelbar, nachdem Gott es eingerichtet hat, kommen zwei Söhne Aarons mit fremdem Feuer und Gott muss sie töten.
5. Das Königtum lässt dasselbe Bild erkennen: Der erste König, Saul, erweist sich als ein ungehorsamer König, dem es nicht gelingt, seinen Auftrag zu erfüllen und der schließlich Selbstmord begeht.

Alles, was dem Menschen anvertraut worden ist, gerät durch die Untreue des Menschen in Verfall. Dieser Grundsatz macht deutlich, was im Menschen ist. Glücklicherweise sehen wir auch immer wieder, was in Gott ist, welche Gnadenquellen in Ihm gefunden werden. Diese Quellen stehen uns jederzeit zur Verfügung, und wir können sie immer anbohren, gerade in Zeiten des Verfalls. Wenn wir das tun, wird Gott sich selbst in dunklen Zeiten durch Menschen verherrlichen, die nichts mehr von sich selbst, aber alles von Ihm erwarten.

Darum enthält dieses Buch einen enormen Anreiz für Menschen, die auch angesichts des Verfalls den Kopf nicht hängen lassen, sondern sich Gott anbieten, um von Ihm zum Wohl seines Volkes gebraucht zu werden. Sie werden zum Wohl seines Volkes sein und in seiner Kraft den Kampf mit dem Feind aufnehmen wollen.

Ein geistlicher Kampf

Am Beginn und am Ende dieses Buches wird dieselbe Frage gestellt. Zwischen diesen zwei Fragen spielt sich das Buch ab. Die Frage lautet: „Wer von uns soll zuerst … hinaufziehen?“ (Ri 1,1; Ri 20,18). Beim ersten Mal bezieht sich diese Frage auf das Bekämpfen der Feinde des Volkes. Beim zweiten Mal bezieht sich diese Frage auf den Feldzug gegen einen Bruder aus dem Volk. Sie begannen mit dem Kampf gegen einen gemeinsamen Feind und enden mit dem Kampf gegeneinander.

Es ist eine Variante von dem, was Paulus zu den Galatern sagt: „Seid ihr so unverständig? Nachdem ihr im Geist angefangen habt, wollt ihr jetzt im Fleisch vollenden?“ (Gal 3,3). Es muss allerdings hinzugefügt werden, dass der Kampf der Stämme Israels gegen ihren Bruder Benjamin wegen der Sünde, die dort stattgefunden hatte, und wegen des Umgangs ihres Bruders damit notwendig war.

Das bringt uns in dieser Einleitung noch auf einen wichtigen Punkt bei der Anwendung dieses Buches in unserer Zeit. Unser Kampf richtet sich nicht gegen „Blut und Fleisch“, sondern gegen unsichtbare, geistliche Feinde. Unser Kampf ist ein geistlicher Kampf „gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, die geistlichen [Mächte] der Bosheit in den himmlischen [Örtern]“ (Eph 6,12). Obwohl diese Feinde nicht sichtbar sind, sind sie nicht weniger wirklich und nicht weniger verderblich.

Die verschiedenen Feinde im Buch Richter stellen verschiedene Formen des sündigen Fleisches und der fleischlichen Lüste im Gläubigen vor. Wir sehen, wie der Satan und seine Engel sich darauf einstellen, um den Gläubigen dazu zu bringen, sich durch das Fleisch leiten zu lassen.

Ein Kind Gottes darf wissen, dass der Herr Jesus das Gericht über die Sünde getragen hat und dass Er am Kreuz den Satan seiner Macht beraubt hat. Etwas anderes ist, dass der Gläubige dies in seinem Leben auch verwirklichen muss. Er muss sich im Glauben der Sünde und dem Fleisch für tot halten: „So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus“ (Röm 6,11).

Jedes Mal, wenn der Satan, der Oberste der bösen Mächte in den himmlischen Örtern, uns zu einer sündigen Lebensweise oder zu einer sündigen Denkweise veranlassen will, müssen wir ihn zurückweisen, indem wir auf den Herrn Jesus und auf das Wort Gottes hinweisen. Dies ist durch die Kraft des Heiligen Geistes möglich. Wenn wir nicht im Geist wandeln, werden wir von diesen Dingen besiegt werden.

Sehr praktisch wirkt das folgendermaßen: Es kann der innige Wunsch bestehen, die Segnungen in Christus zu genießen. Doch die Segnungen werden nicht genossen, wenn der Christ von sündigen Begierden, die er in seinem Leben zugelassen hat, in Gefangenschaft gehalten wird. Es ist unmöglich, die himmlischen Segnungen zu genießen, wenn man weltlichen oder fleischlichen Dingen nachstrebt. Diese Sachen machen ihn zu einem Gefangenen, wodurch er kein Auge und keine Zeit für die Dinge hat, die mit Gott und dem Herrn Jesus zu tun haben.

Die Richter

Was für Menschen sind die Richter, wo kommen sie her, wann leben sie und wie werden sie zu Richtern? Es bestehen große Unterschiede zwischen den Persönlichkeiten der Richter, denen wir in diesem Buch begegnen. So kommen sie aus verschiedenen Stämmen: Juda, Benjamin, Naphtali, Manasse, Issaschar, Sebulon und Dan. Dazu haben sie alle einen unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergrund: Der eine ist ein Bauer, der andere ist ein Diplomat, wieder ein anderer ist ein Vagabund. Einige sind bekannt, manche reich, andere sind unbekannt, andere arm. Eine von ihnen war eine Frau. Ihren speziellen Dienst werden wir in Richter 4 und 5 näher betrachten.

Diese Unterschiede machen deutlich, dass Gottes Allmacht bestimmt, wer Richter sein kann, und Er weist dabei jedem seinen oder ihren eigenen Platz zu. Er tut das aufgrund ihres Umgangs mit Ihm und nicht aufgrund einer religiösen oder nichtreligiösen Ausbildung oder bestimmter Diplome. Die Schule Gottes ist garantiert die beste Ausbildung, die es gibt.

Wer sind heute Richter?

Wenn wir das Buch lesen, sehen wir, dass die Richter allesamt von Gott erweckt werden, mit Ausnahme Abimelechs in Richter 9, der sich selbst zum Richter ausruft. Sie wurden also nicht von Josua angestellt. Sie wurden es auch nicht dadurch, dass ein Komitee aus Richtern sie eingeladen hätte, sich ihnen anzuschließen. Familiennachfolge steht ebenso wenig auf der Tagesordnung.

Richter sind ein Bild der Ältesten und Aufseher, die heute in der örtlichen Gemeinde ihre Aufgabe ausüben. (Die Tatsache, dass eine Frau als Richterin aufgetreten ist, bedeutet nicht, dass Frauen auch Älteste oder Aufseher in der Gemeinde sein können. Diese Aufgabe in der Gemeinde hat Gott ausschließlich den Männern zugewiesen. Wir werden uns das in der Geschichte Deboras näher ansehen.)

Ältesten oder Aufseher sind ebenso wenig wie die Richter von Menschen angestellt. In der Bibel ist von der Anstellung von Ältesten nur die Rede, wenn diese durch einen Apostel oder einen Bevollmächtigten eines Apostels vorgenommen wird (Apg 14,23; Apg 20,28; Tit 1,5). Angesichts der Tatsache, dass es heute keine Apostel mehr gibt, und infolgedessen auch keine Personen, die in ihrem Namen auftreten, kann keine Anstellung von Ältesten mehr stattfinden. Es gibt also keine Anstellung durch Menschen und auch keine natürliche Nachfolge.

Das heißt jedoch nicht, dass es keine Ältesten mehr gäbe. Paulus sagt zu Timotheus: „Wenn jemand nach einem Aufseherdienst trachtet, so begehrt er ein schönes Werk“ (1Tim 3,1). In den folgenden Versen wird das „Profil“ beschrieben, dem solch ein Aufseher genügen muss und woran man ihn also erkennen kann (1Tim 3,2-7).

Es gibt glücklicherweise noch immer Menschen, in denen der Herr das Verlangen und die Bereitwilligkeit wirkt, als Ältester oder Aufseher zu fungieren. Sie haben einen besonderen Blick für die Gefahren der Zeit, in der wir leben, und werden sich dafür einsetzen, dass der Feind keine Chance erhält, die Gläubigen ihrer Segnungen zu berauben. Ihre Aufgabe ist es, die Gläubige auf Gebiete in ihrem Leben hinzuweisen, wo der Feind Gewinne erzielt hat. Sie werden auch angeben, wie das verlorene Gebiet wieder zurückgewonnen werden kann.

Abnehmender Erfolg der Richter

Die Siege, die Richter erringen, sind nicht die Folge eines anfallenden Kampfes. Sie bekämpfen die Feinde, denen es durch die Untreue des Volkes gelungen ist, das Volk seines Erbteils zu berauben, das Gott ihnen gegeben hat. Es geht den Richtern darum, die Nationalexistenz des Volkes Gottes aufrechtzuerhalten und wieder das zu genießen, was ihnen gehört. Gott will, dass sein Volk ein siegendes Volk sein soll. Doch sie wenden sich von Ihm ab und folgen den Göttern der Nationen um sie her und werden so immer wieder zu ihren Sklaven. Dann ist es um allen Dienst und alles Zeugnis geschehen.

Das Buch Richter ist ein Buch, in dem immer wieder von der Rebellion gegen Gott die Rede ist. Bei jedem Mal, wo von Empörung die Rede ist, verliert das Volk immer etwas mehr von seinem Segen. Das ist an dem Maß der Erlösung zu merken, die durch einen Richter bewirkt wird. Jede Erlösung war weniger weit reichend als die vorherige. Nach jeder Fremdherrschaft erhielten sie weniger zurück, als sie verloren hatten, bis Simson, der letzte Richter, sie sogar in Gefangenschaft belässt, weil er durch persönliche Untreue, trotz seiner großen Kraft, nicht in der Lage ist, den Feind endgültig zu verjagen. Im Gegenteil, er wird selbst ein Gefangener.

Trotz der zunehmenden Größe des Verlustes ist die Gnade Gottes so groß, dass selbst eine Zeit des Verfalls für den Einzelnen oder den Überrest zu einer Zeit besonderen Segens werden kann.

Jede Befreiung ist immer teilweise, bis der Herr Jesus kommt. Wenn Er kommt, wird Er eine vollständige Befreiung bringen.

Der Zeitabschnitt, während dessen die Richter richten

Zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem Tempelbau durch Salomo liegen 480 Jahre (1Kön 6,1).
Nach Apostelgeschichte 13 sind das aber ungefähr 570 Jahre (Apg 13,17-22). Den Unterschied ist ungefähr 90 Jahren. Dieser Unterschied lässt sich wie folgt erklären:
Die 570 Jahre in Apostelgeschichte 13 sind wie folgt aufgebaut:
ungefähr 40 Jahre (Apg 13,18) +
ungefähr 450 Jahre (Apg 13,20) +
40 Jahre (Apg 13,21) +
40 Jahre Regierung Davids (1Kön 2,11) =
insgesamt 570 Jahre.

Den Unterschied von ungefähr 90 Jahren findet man heraus, wenn man die 5 Perioden der Sklaverei im Buch Richter zusammenrechnet:
8 Jahre (Ri 3,8) +
18 Jahre (Ri 3,14) +
20 Jahre (Ri 4,3) +
7 Jahre (Ri 6,1) +
40 Jahre (Ri 13,1) =
insgesamt 93 Jahre.

Die geistliche Belehrung, die wir hieraus entnehmen können, ist diese: Gott zählt die Tage und Stunden, während denen wir in Sklaverei leben, nicht mit, weil diese Zeit nicht für Ihn gelebt wird. Diese hat für ihn keinen Wert. Vor dem Richterstuhl Christi wird dies offenbar werden.

Namen

Bevor wir Richter 1 näher betrachten, will ich noch etwas über die Namen sagen, die in der Bibel erwähnt werden. Nichts von dem, was in der Bibel steht, ist ohne Bedeutung. Gott hat alles mit einer besonderen Absicht aufschreiben lassen. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2Tim 3,16; 17). Das gilt auch für alle Namen, die genannt werden. Diese Namen haben eine Bedeutung. Das heißt nicht, dass die Bedeutung eines Namens immer eindeutig ist. Manchmal sind mehrere Deutungen eines Namens möglich. Wir können oft durch die Bedeutung eines Namens eine deutlichere Einsicht in den Sinn eines bestimmten Abschnitts bekommen.

Im Buch Richter werden viele Namen erwähnt. Ich möchte versuchen, in meiner Anwendung der Bedeutung so nahe wie möglich bei dieser Bedeutung zu bleiben. Wenn es mehrere Bedeutungen gibt, werde ich eine Anwendung machen, die mich am meisten anspricht. Es besteht bei solchen Erklärungen immer die Gefahr, dass die Fantasie eine Rolle zu spielen beginnt. Ihnen möchte ich daher den Auftrag erteilen, kritisch zu lesen, im Geist der Beröer, von denen es heißt: „Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf, indem sie täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich so verhielte“ (Apg 17,11).

Einen wichtigen Hinweis in Verbindung mit der Bedeutung von Namen finden wir in der Schrift selbst, und zwar in Verbindung mit der Name „Melchizedek“: „Denn dieser Melchisedek, König von Salem, Priester Gottes, des Höchsten, … der erstens übersetzt König der Gerechtigkeit heißt, dann aber auch König von Salem, das ist König des Friedens“ (Heb 7,1; 2). Hier liefert die Bibel selbst den Beweis dafür, dass aus dem Namen einer Person bestimmte Folgerungen zu ziehen sind, die uns etwas über diese Person lehren.

Es gibt verschiedene Bücher mit Erklärungen der biblischen Namen. Ich habe einige davon herangezogen. Ich gehe nicht auf Namen ein, deren Bedeutung ich nicht weiß oder bei denen ich mir nichts vorstellen kann. Diese Namen haben sehr wohl eine Bedeutung, die uns etwas vorstellt, ich weiß nur nicht, welche. Es ist gut, dass wir hierin unsere Beschränkungen einsehen.

Einteilung des Buches

Die Haupteinteilung des Buches kann wie folgt angegeben werden:
1. Rebellion des auserwählten Volkes (Richter 1,1–3,4).
2. Sklaverei und Befreiung (Richter 3,5–16,31);
3. Offenbarung des verdorbenen Herzens (Richter 17–21).

Die Untergliederung der Hauptteile

Hauptteil 1 (Richter 1,1–3,4)

1. Die Vermischung mit den Nationen (Richter 1,1–2,5).
2. Der öffentliche Bruch mit dem HERRN und das Verfallen in Götzendienst (Richter 2,6–3,4).
Teil 2 geht aus Teil 1 hervor. Wenn das Volk Gottes nicht mehr von der Welt abgesondert bleibt, ist die automatische Folge, dass ein Bruch mit Gott eintritt und man den Göttern der Welt zu dienen beginnt. Dies ist eine Erfüllung der Warnung Josuas (Jos 23,11-13). Die Erfüllung dieser Worte sehen wir in dem Buch, das wir sogleich näher anschauen werden und das erkennen lässt, dass Gott in seinen Worten gerechtfertigt wird.

Hauptteil 2 (Richter 3,5–16,31)

Dieser Teil lässt sich in 13 Abschnitte aufteilen, nach der Anzahl Richter, die darin auftreten. Wir lesen darin die Geschichte der Sünde Israels, welche Feinde von Gott gebraucht werden, um sie zur Umkehr zu bringen, und welche Richter Gott erweckt, um sie von ihren Feinden zu befreien.

Hauptteil 3 (Richter 17–21)

In den Schlusskapiteln können wir, genau wie bei Teil 1, zwei Teile unterscheiden:
1. Richter 17 und 18 zeigen den religiösen Verfall, das Loslassen des Bandes mit Gott und den Gottesdienst nach eigenen Vorstellungen.
2. Richter 19–21 zeigen den moralischen Verfall, das Loslassen des Bandes untereinander und das Handeln nach eigener Einsicht, ohne auf den anderen Rücksicht zu nehmen.
Auch hier geht Teil 2 aus Teil 1 hervor. Wo das Band mit Gott losgelassen wird, wird auch das Band untereinander losgelassen. Wo die Liebe zu Gott abkühlt, kühlt auch die Bruderliebe ab.


Einleitung

Gott hat Israel noch nicht verlassen. Seine Kraft ist immer noch gegenwärtig. Die Frage ist nur, ob Glaube vorhanden ist, um von ihr Gebrauch machen zu können. Die Ursache allen Verfalls liegt in der Tatsache, dass das Volk Gottes die Gegenwart des lebendigen, heiligen Gottes in seiner Mitte vergisst. Wenn das Bewusstsein für den Wert der Gegenwart Gottes abnimmt, verringert sich auch die Hingabe an Ihn. Als Folge davon wird das Volk unempfindlich für das Böse, das bei den Feinden vorhanden ist.

Wenn sie die Gegenwart Gottes in ihrer Mitte wirklich erfahren hätten, dann hätten sie den Feind nicht in ihrer Mitte geduldet. Sie wären sich dessen bewusst gewesen, dass es Sünde und eine Unehre für Gott darstellt, die Feinde ungestraft im Land Gottes wohnen zu lassen. Gott und der Feind können nie zusammen gehen. Wenn das vergessen wird, bedeutet das den Verlust der Segnungen des Landes. In diesem Kapitel wird dieser Verlust in immer mehr zunehmendem Maße beschrieben.

Es sind fünf aufeinander folgende Phasen in der Weise zu entdecken, wie sich der Niedergang vollzieht:
1. Ungehorsam gegenüber dem, was Gott sagt (Ri 1,3);
2. Mangel an Vertrauen auf Gott (Ri 1,19);
3. Gleichgültigkeit (Ri 1,21; 27; 28; 29; 30);
4. Kraftlosigkeit (Ri 1,31-33);
5. Besiegt werden (Ri 1,34).

Der Ursprung allen Verfalls ist im Ungehorsam dem Wort Gottes gegenüber zu finden. Gott hat eine Antwort auf die Frage des Volkes gegeben, wer zuerst hinaufziehen soll (Ri 1,1; 2). Das konnte nicht auf zwei unterschiedliche Weisen ausgelegt werden. Juda muss zuerst hinaufziehen, allein! Dennoch bittet Juda Simeon, mit ihm mitzugehen.

Juda hätte für diese Bitte an Simeon allerlei annehmbare und glaubwürdige Gründe anführen können, zum Beispiel, dass das Erbteil Simeons sehr eng mit dem von Juda verbunden ist, oder dass es doch schön wäre, einen anderen in einem Werk für den HERRN mit einzubeziehen. Doch all diese Argumentationen, wie gut sie auch gemeint sind, können nichts an dem einfachen Auftrag Gottes ändern, dass Juda als Erster hinaufziehen soll. Auf die Phasen im Niedergang, die die Folge hiervon sind, komme ich im Laufe dieses Kapitels von selbst zurück.

Der Nachfolger Josuas

Im ersten Vers wird die Verbindung mit dem vorangegangenen Buch, Josua, angegeben. Es ist eine Verbindung, die von demselben Charakter wie die Verbindung ist, die Josua 1,1 mit dem vorangegangenen fünften Buch Mose verknüpft. Das Buch Josua beginnt mit den Worten: „Und es geschah nach dem Tod Moses, des Knechtes des HERRN, da sprach der HERR zu Josua, dem Sohn Nuns, dem Diener Moses“ (Jos 1,1). Da ist von Nachfolge die Rede, und dort fällt gleichsam der Mantel des Mose auf einen anderen Knecht des HERRN, der sein Werk im Geist und in der Kraft Moses fortsetzt (vgl. 2Kön 2,12-14).

Das Buch Richter beginnt so: „Und es geschah nach dem Tod Josuas.“ Das heißt, dass das Vorbild des mächtig wirksamen Geistes Christi, von dem Josua ein Bild ist, nicht mehr da ist. Diesmal gibt es jedoch keinen Nachfolger. Dasselbe gilt für die Zeit, die der in der Apostelgeschichte beschriebenen Periode folgt. Nachdem der Apostel Paulus von der Bühne verschwunden ist, hören wir nichts von anderen Aposteln, die seine Position eingenommen hätten.

Die Frage, die Israel hier stellt, lässt erkennen, dass das Volk noch eine Einheit ist. Es ist eine Frage, die sie alle an Gott richten. Es ist hier noch nicht die Rede davon, dass ein jeder tut, was in seinen Augen recht ist. Der HERR wird noch als ihr Führer anerkannt.

Juda zuerst

Als das Volk sich in der Wüste gelagert hat, nachdem es aus Ägypten befreit ist, und weiterziehen muss, soll Juda der erste sein, der aufbrechen soll (4Mo 2,9). Er ist der Führer in der Wüste (4Mo 10,14). Als nun das Land weiter erobert werden muss, sehen wir dasselbe. Auch hier muss Juda vorausgehen.

Das passt zu der Prophetie, die Jakob ausgesprochen hat. Juda ist der Stamm des Löwen, aus dem der von Gott gegebene König hervorgehen soll: „Juda ist ein junger Löwe; vom Raub, mein Sohn, bist du emporgestiegen. Er duckt sich, er legt sich nieder wie ein Löwe und wie eine Löwin; wer will ihn aufreizen? Nicht weichen wird das Zepter von Juda, noch der Herrscherstab zwischen seinen Füßen weg, bis Schilo kommt, und ihm werden die Völker gehorchen“ (1Mo 49,8-10).

Der Name Juda bedeutet „Lobpreis“. Hierin liegt der Hinweis, dass ein Geist des Lobpreises die wichtigste Bedingung ist, um das Land zu erobern. Lobpreis stellt nämlich Gott an die erste Stelle und bringt Hingabe an Ihn mit sich. Freude beim Gehorsam verleiht Mut und Begeisterung.

Juda und Simeon

Wie schon angemerkt ist, ist Juda bei der Ausführung des Auftrages Gottes nicht gehorsam. Anstatt mit der Hilfe und Treue des HERRN zu rechnen und sich auf seine Verheißungen zu stützen, ruft Juda die Hilfe Simeons an, um sein Erbteil in Besitz zu nehmen. Simeon scheint der am besten geeignete Partner für Juda. Er ist von Gott, über das Erbe, eng mit ihm verbunden.

Simeon bedeutet „Hören“ und bezieht sich auf Gemeinschaft. Echte Gemeinschaft gibt es nur, wenn sie sich auf das Wort Gottes gründet. Es mangelt Juda an einfältigem Glauben. Menschliche Übereinkünfte fördern Gottes Werk nie. Gott hat gesagt: „Siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben“ (Ri 1,2). Das hätten genügen sollen.

Wie oft ist Gott schon von seinem Volk dadurch verunehrt worden, dass es auf etwas oder jemanden außerhalb von ihm vertraute. Später in diesem Kapitel kommt die Schwachheit der Verbindung ans Licht, die Juda mit Simeon eingegangen ist. Trotz der Unterstützung Simeons ist keine Kraft vorhanden, um den Feind, der im Besitz eiserner Wagen ist, zu vertreiben (Ri 1,19).

Es hat positive Seiten, wenn man im Auftrag Gottes etwas zusammen tut. Wenn das der Fall ist, kommt darin zum Ausdruck, dass Gott uns einander gegeben hat und dass wir einander nötig haben. Zusammen ist man stärker: „Zwei sind besser daran als ein einer“ (Pred 4,9-12). Das einträchtige, gemeinsame Bekämpfen des Feindes sehen wir auch in der Endzeit, wenn Juda und Ephraim zusammen dem Feind zu Leibe rücken (Jes 11,14).

Der HERR hilft

Trotz Judas Mangel an Glauben hilft der HERR doch und gibt ihm den Sieg. Hierin können wir die Gnade Gottes bemerken. Er schiebt Juda nicht zur Seite, als dieser Stamm in einer bestimmten Angelegenheit versagt. Doch es geht wohl darum, wie viel wir von Gott erwarten. Er will uns vollständige Siege geben. Auch wir erringen nur teilweise Siege, wenn wir uns nicht ganz und in allem von Gott abhängig verhalten.

Der Sieg wird bei Besek errungen. Der Name Besek bedeutet „Bruch“. Wenn sich irgendwo ein Bruch befindet, ist etwas nicht mehr ganz, die Kraft ist weg. Es kann im Leben eines Gläubigen so werden, dass er nicht mehr ganz für den Herrn Jesus lebt. Ein Bruch ist in seinen Umgang mit ihm gekommen, vielleicht durch die Sünde, vielleicht durch die Umstände des Lebens. Auch in einer örtlichen Gemeinde kann es vorkommen, dass zwischen Gläubigen ein Bruch entsteht. Paulus ermahnt die Gläubigen in Korinth, dass sie alle dasselbe reden sollen „und nicht Spaltungen unter euch seien, sondern dass ihr in demselben Sinn und in derselben Meinung vollendet seiet“ (1Kor 1,10).

Besek wird von Adoni-Besek regiert. Sein Name bedeutet „Herr des Bruches“. Jeder Bruch im Leben eines Gläubigen oder in einer örtlichen Gemeinde kommt zustande, weil der Teufel, der „Herr des Bruches“, die Chance bekommen hat, seinen Schlag zu versetzen. Es ist bemerkenswert, dass Israel diesem Adoni-Besek als erstem Feind begegnet. Ist es nicht auch bemerkenswert, dass Paulus den Korinthern zuerst über den Bruch schreibt, der in ihrer eigenen Mitte ist?

Der Feind wird besiegt, wenn im Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber gehandelt wird. So tat Israel es, und so müssen wir es tun. Im Rest von 1. Korinther 1 wird deutlich gemacht, auf welche Weise der Feind geschlagen werden kann. Das ist durch „das Wort vom Kreuz“ (1Kor 1,18) möglich. Zum Kreuz zurückgehen und aufs Neue unter den Eindruck dessen kommen, was der Herr Jesus dort getan hat. Am Kreuz hat er jeden Bruch wiederhergestellt, sowohl im persönlichen Leben des Gläubigen als auch im Leben der örtlichen Gemeinde. Wenn wir bekennen, worin wir falsch lagen, wird der Bruch zunichtegemacht werden, wie und wo er auch entstanden sein mag, und Wiederherstellung folgt im Leben des Gläubigen und in der örtlichen Gemeinde.

Vergeltung

Dass Juda und Simeon nicht ganz auf dem Wege Gottes sind und nicht nach seinen Gedanken handeln, ist auch an der Weise zu sehen, wie sie Adoni-Besek behandeln. Sie tun etwas, das Gott ihnen nicht geboten hat. Josua hat etwas Derartiges auch nie mit den Königen Kanaans getan. Es ist eine Tat menschlicher Vergeltung. Nirgends im Alten Testament steht ein Auftrag Gottes an sein Volk, seine Feinde zu martern. In der Tat, sie dürfen kein Mitleid mit ihnen haben und müssen sie ohne Gnade töten. Doch eine grausame Behandlung wird nicht vorgeschrieben. Was das Volk hier tut, spricht nicht zu ihren Gunsten.

Was Adoni-Besek darüber sagt, hat hiermit nichts zu tun; das ist eine andere Sache. Adoni-Besek hatte so gehandelt, um dadurch seine Macht und seinen Ruhm zu vermehren. Gott gebraucht das Versagen von Juda und Simeon jedoch, um Adoni-Besek zu vergelten. Es spricht für ihn, dass er in der Behandlung, die ihm widerfährt, die gerechte Strafe Gottes sieht. Er erkennt, dass dieses Gericht ihn zu Recht trifft. Wie er getan hat, so wird ihm vergolten.

In seinem Fall bewahrheitet sich das Wort: „Was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7). In mehreren Geschichten der Bibel begegnen wir der Wahrheit dieses Wortes. Und wie oft sind wir selbst hiermit schon in Berührung gekommen? Dem Menschen begegnet das, was er tut.

Mit der Antwort, die Adoni-Besek auf die Strafe gibt, die er empfängt, können Menschen, die die Ausrottung der Einwohner Kanaans durch Israel kritisieren, zum Schweigen gebracht werden. Sie müssen nur Adoni-Besek einmal gut zuhören. Das Gericht über die Einwohner Kanaans war gerecht und wohlverdient.

Jerusalem

Abgesehen von einem Hinweis auf Jerusalem in 1. Mose 14 – dort Salem genannt (1Mo 14,18) – wird in Josua 10 zum ersten Mal in der Bibel etwas über Jerusalem gesagt, und zwar in Verbindung mit Krieg (Jos 10,1-5). Auch hier im Buch Richter wird der Name Jerusalems in Verbindung mit Kampf erwähnt. Krieg ist für die ganze Geschichte Jerusalems charakteristisch und wird das sein, „bis die Zeiten der Nationen erfüllt sind“ (Lk 21,24).

Erst wenn der Herr Jesus aus dem Himmel zurückkehrt, um sein ausgesetztes Königtum über Israel anzunehmen, wird die Stadt der Bedeutung ihres Namens „Gründung des Friedens“ – salem bedeutet „Friede“ – entsprechen, weil Jesus Christus dann als der Friedefürst regieren wird.

Die Eroberung Jerusalems durch Juda ist nicht vollständig. Trotz der Verwüstung Jerusalems findet der Feind Gelegenheit, sich wieder zu sammeln, sich neu anzuordnen und Widerstand zu leisten (Ri 1,21).

Die Kanaaniter

Kanaan war ein Sohn Hams, des Sohnes Noahs (1Mo 10,6). Noah verfluchte Ham in seinem Sohn Kanaan. Die Geschichte der Nachkommen Kanaans macht deutlich, wie dieser Fluch Gestalt annahm. Sie bewohnten das Land, das Gott seinem Volk als Erbteil gegeben hatte, doch sie hatten das Land durch ihre Unreinheit verdorben. Sie gebrauchten das Land Gottes zu ihrem eigenen Vergnügen.

In 1. Mose 15 werden die Kanaaniter zusammen mit neun anderen Völkern als die Einwohner des Landes genannt (1Mo 15,18-21; vgl. 5Mo 7,1; Jos 3,10). Sie bilden in dem Land also eine separate Gruppe von Bewohnern unter den anderen Bewohnern. Doch in anderen Texten scheint der Name Kanaaniter ein Sammelbegriff für alle Bewohner des Landes zu sein (1Mo 12,6; Jos 17,12; 13; Neh 9,24).

Was die Kanaaniter repräsentieren

Das hebräische Wort kanaan ist an einige Stellen mit „Kaufmann/Kaufleute“ übersetzt worden (Hiob 40,30; Spr 31,24; Jes 23,8). Dies macht zugleich die Bedeutung des Wortes deutlich. Kanaaniter stellen Menschen vor, die die Dinge Gottes zu einem Handelsgeschäft machen, woran man einiges verdienen kann. Von dieser Art Menschen lesen wir: „Menschen, die an der Gesinnung verdorben sind und die Wahrheit verloren haben, die meinen, die Gottseligkeit sei ein Mittel zum Gewinn“ (1Tim 6,5). Kanaan stellt also eine Denkweise vor, bei der jemand allein auf seinen eigenen Vorteil aus ist, wobei für den Willen Gottes kein Platz ist. Es ist der pure Eigenwille, der auf die Befriedigung der eigenen Lüste gerichtet ist.

Dieser Feind ist sehr schwer auszurotten. Er versteckt sich im Herzen jedes Menschen, der ein Teil des Volkes Gottes ist. Jedes Glied des Volkes Gottes muss davor auf der Hut sein. Er verschafft sich zum Beispiel Geltung, wenn wir etwas getan haben, das bei anderen Bewunderung hervorruft. Daraus können wir Kapital schlagen, indem wir andere auf uns verpflichten. Die Ehrenbezeigung, die man uns erweist, werden wir gebrauchen, um andere zu manipulieren und sie für unsere eigenen Ziele arbeiten zu lassen. Dann wird sozusagen nicht Gott dadurch besser, sondern wir selbst. Was wir tun, muss zum Ergebnis haben, dass andere Gott verherrlichen werden und nicht uns.

Stark kommt diese „Kaufmannmentalität“ in der römisch-katholischen Kirche zum Ausdruck. Wir lesen über diese Kirche, dass sie sogar handelt mit „Menschenseelen“ (Off 18,13). Hierbei können wir beispielsweise an den Ablass denken, mit dem in der römisch-katholischen Kirche in der Tat Handel mit Seelen betrieben wird. Gott wird dieses Handelssystem, das den Namen „Kirche“ trägt, richten.

Wie gesagt, muss jedes Kind Gottes mit der Aktivität dieses Feindes in seinem eigenen Herzen und Leben rechnen. Wir dürfen kein Mitleid mit ihm haben. Er muss radikal verurteilt werden. Das geschieht, indem wir ihn dorthin bringen, wo er hingehört, nämlich in den Tod. Dann entsprechen wir dem Auftrag, dass wir unsere Glieder, die auf der Erde sind, töten sollen. Diese Glieder sind „Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, die Götzendienst ist“ (Kol 3,5). Wir können diese Glieder als eine Auswirkung des verdorbenen Denkens des gerade zitierten Verses aus 1. Timotheus 6 sehen (1Tim 6,5). Das ist kein Pappenstiel.

Jedes Glied ist ein Feind. Wer meint, mit solch einem Glied gut auszukommen, wird dadurch geschlagen. Der Kanaanit schlägt seinen Schlag. Es geht Gebiet verloren. Die Segnungen Gottes werden nicht mehr genossen. Die Kanaaniter werden dafür sorgen, dass wir nicht in unseren Städten wohnen, das heißt, dass wir keinen Genuss an einer bestimmten Wahrheit über Christus oder an etwas Wertvollem von Ihm haben, das uns gehört. Der Weg zur Sklaverei der Sünde ist eingeschlagen, bis wir wieder völlig Sklave sind!

Kaleb

Juda zieht weiter hinauf: Sein nächstes Ziel ist Hebron. Die Bedeutung dieses Namens ist „Gemeinschaft“. Diese Stadt war zuerst in den Händen der Kanaaniter, die ihr den Namen Kirjat-Arba gegeben hatten. Kirjat-Arba bedeutet „Stadt der Riesen“. In Wirklichkeit hat nicht der Stamm Juda, sondern die Einzelperson Kaleb diese Stadt erobert (Jos 15,14; 15). Die Tatsache, dass die Einnahme von Hebron dennoch dem Stamm zugeschrieben wird, bedeutet, dass Kaleb den Stempel seiner persönlichen Treue, Kraft, seines Ausharrens und Glaubens auf den ganzen Stamm drückt. Der Glaube des Einzelnen wird der Gesamtheit zugerechnet.

Kaleb fürchtete sich nicht vor den Riesen. Das hatte er bereits gezeigt, als er als einer der zwölf Kundschafter mit seinem Bericht über das, was er im Land gesehen hat, zu Mose zurückkam (4Mo 13,30; 4Mo 14,6-10; 24; 38). Zehn Kundschafter waren unter den Eindruck der gewaltig starken Mauern der Städte und der Riesen, die dort wohnten, gekommen. Dagegen konnten sie nie gewinnen. Aber die Sprache Kalebs ist anders. Der Grund dafür ist, dass er die Mauern und die Riesen nicht mit sich selbst und mit seiner eigenen Kraft verglich, sondern mit Gott. Und was bedeuten nun dicke Mauern und Riesen für einen allmächtigen Gott?

Dieses Glaubensvertrauen glänzt zwischen so viel Unglauben und Abweichen. So ist es auch heutzutage in der Gemeinde: Inmitten des allgemeinen Verfalls kommt persönliche Treue vor. Die Treue wird bei Männern und Frauen gefunden, die die Schwierigkeiten nicht mit sich selbst vergleichen, sondern sie ruhig in die Hand des Herrn legen und darauf vertrauen, dass er über den Umständen steht und darin einen Weg zum Sieg zeigt. Persönliche Treue kommt auch heute noch dem Ganzen zugute. Eine „Stadt der Riesen“ wird dann in eine Stadt der „Gemeinschaft“ verändert. Wo der Glaube den Feind verjagt, tritt Gemeinschaft mit Gott und seinem Volk dafür an die Stelle.

Die Eroberung Kirjat-Sephers schließt sich hieran an. Kirjat-Sepher bedeutet „Stadt des Buches“. Dies war der Name der Stadt, als sie in den Händen des Feindes war. Möglicherweise war sie ein Zentrum der kanaanitischen Gelehrsamkeit, wir würden heute vielleicht von einer „Universitätsstadt“ sprechen. Der neue Name, den diese Stadt bekommt, ist Debir, und das bedeutet „(ein lebendiges) Orakel“ oder „Sprechen Gottes“.

Folgende Lektion ist hieraus zu lernen: Die Bibel ist für Ungläubige oder für Menschen, die sich zwar als Christen ausgeben, aber kein Leben aus Gott haben, lediglich ein Buch. Sobald jemand aber durch Bekehrung und Wiedergeburt neues Leben empfängt, wird dieses Buch das lebendige und wirksame Wort Gottes (Heb 4,12). Viele haben bezeugt, dass sie durch das neue Leben die Bibel anders zu sehen und zu lesen begonnen haben. Was zuerst ein toter Buchstabe zu sein schien, ist lebendig geworden.

Wir werden „der Bibel“, dem Wort Gottes im Buch der Richter, noch in vielen Bildern begegnen. Siege über unseren geistlichen Feind erringen wir nur dann, wenn wir das Wort Gottes zu unserem Eigentum machen, indem wir danach leben. Vor allem für Älteste und Aufseher, von denen die Richter auch ein Bild sind, gilt, dass sie das Wort kennen müssen; sie müssen „lehrfähig“ sein (1Tim 3,2).

Othniel

Es ist noch ein wichtiger Aspekt mit der Haltung und dem Auftreten Kalebs verbunden, und zwar, dass er andere zum selben Verhalten anspornt. Durch sein Vorbild erweckt er das in anderen. So wirkt das immer noch: Die Treue eines Einzelnen erweckt andere dazu, ebenso zu handeln. Der Name Kaleb bedeutet unter anderem „von ganzem Herzen“. Es kommt immer auf ein ungeteiltes Herz an. Wer Gott mit seinem ganzen Herzen dient und vertraut, erringt Glaubenssiege. Der Funke dieser Glaubensbegeisterung springt danach auf andere über, so wie hier bei Othniel.

Othniel bedeutet „Löwe Gottes“ oder „meine Kraft ist Gott“. In ihm sehen wir ein Vorbild der Heldenhaftigkeit des Glaubens. Die Ursache davon liegt nicht in seiner eigenen Kraft, sondern in der Kraft Gottes. Darauf stützt er sich. Was Kaleb vorstellt, findet bei ihm durch das Vorbild Anschluss, das er in Kaleb gesehen hat.

Ein besonderer Ansporn ist die Belohnung, die Kaleb in Aussicht stellt. Wer Kirjat-Sepher einnimmt, bekommt „seine Tochter Aksa zur Frau“. Diese Aussage stieß bei Othniel nicht auf taube Ohren.

Aksa

Aksa wird sicher eine schöne Frau gewesen sein. Doch Othniel wird sie nicht in erster Linie um ihrer äußeren Schönheit willen geschätzt haben. Was für eine Frau sie war, zeigt sich in ihrem Namen und ihrer Einstellung, ihrem Verhalten. Ihr Name bedeutet „Fußspange“. Das weist darauf hin, dass ihr Wandel, ihre Lebensweise zur Ehre Gottes ist. Sie ist eine solche Frau, wie sie in 1. Petrus 3 erwähnt wird (1Pet 3,1-6). Dort wird einige Male über Schmuck gesprochen. Sie war ein Mensch, der in ihrem Wandel verwirklichte, was Gott gesagt hat.

Im Neuen Testament heißt es von den Sklaven, dass sie „die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem“ (Tit 2,9; 10). Um „die Lehre unseres Heiland-Gottes“, das heißt die Unterweisung, die Gott durch sein Wort gibt, zieren zu können, muss man sie auch kennen. Sie bringt dem, was Gott gesagt und verheißen hat, Interesse entgegen. Das bestimmt ihre Haltung und ihr Verhalten. Es ist zu wünschen, dass die christliche Frau sich an ihr ein Beispiel nimmt.

Das gilt auch für jeden christlichen Mann. Es ist ebenso zu wünschen, dass er aus dem, was sie ausstrahlt, Nutzen zieht. Nicht allein die christliche Frau, sondern auch der christliche Mann ist dafür verantwortlich, „die Lehre unseres Heiland-Gottes“ mit seinem Leben zu zieren. Durch unsere Lebensweise zieren oder verunstalten wir „die Lehre unseres Heiland-Gottes“. Es geht darum, dass wir in der Praxis verwirklichen, was wir aus Gottes Wort gelernt haben.

Kaleb, Othniel und Aksa sind alle drei Judäer, das heißt, dass sie alle dem Stamm Juda angehören, dessen Name „Lobpreis“ bedeutet. Ein Wandel im Glauben und Vertrauen geht aus dem Lobpreis Gottes hervor. Wer Gott für seine große Güte dankbar ist, wird durch sein Leben erkennen lassen, dass diese Dankbarkeit echt ist. Sein Leben wird gleichsam ein großer Lobpreis für Gott werden. Er wird sein Leben immer mehr in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes bringen. Das ist die unvermeidliche Folge im Leben eines Menschen, dessen Herz nach Gott und nach seinen Worten ausgeht.

Die oberen und unteren Quellen

Aksa ist eine Prachtfrau, nicht allein durch ihre äußere Schönheit. Was auch so anziehend in ihrem Leben ist, war ihre Einstellung, ihr Verhalten. Darin zeigt sich ihre eigentliche, innere Schönheit. Gerade durch ihre Einstellung ist sie eine gewaltige Ergänzung für Othniel.

Aksa besitzt etwas von dem Geist ihres Vaters. Sie ist nicht damit zufrieden, einfach nur ein Eigentum zu besitzen. Sie will, dass es ein fruchtbares Eigentum sein soll. Der Süden (Ri 1,9), oder wie es hier heißt „Mittagsland“, ist ein Land des Sonnenscheins und der Wärme, der Fruchtbarkeit und Schönheit, doch sie will etwas dazu haben, das sie in die Lage versetzt, dieses Land in vollem Maß zu genießen: obere und untere Wasserquellen. Kaleb gibt ihr, was sie erbeten hat.

Auch wir können wissen, dass wir „ein Stück Land besitzen“, doch bei uns steht dies in Verbindung mit geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern. Ein Vorbild finden wir im Leben des Apostels Paulus. Er spricht über die „oberen Quellen“, wenn er über „Überfluss“ schreibt. So schreibt er im Brief an die Römer über „die Gabe in Gnade, die durch den einen Menschen, Jesus Christus“, die „zu den vielen überströmend geworden“ ist (Röm 5,15; 20). Auch wünscht er den Römern, dass sie „überreich“ seien „in der Hoffnung“ (Röm 15,13). In seinem zweiten Brief an die Korinther schreibt er, dass „durch den Christus unser Trost überreichlich“ ist (2Kor 1,5), und etwas weiter sagt er: „Ich bin ganz überströmend in der Freude“ (2Kor 7,4).

Gnade, Hoffnung, Trost, Freude, all diese Dinge sind in Christus im Himmel zu finden. Aus diesen Quellen kann der Gläubige allezeit schöpfen, selbst wenn es in seinem Leben auf der Erde nicht nach Wunsch geht. Dann weiß er, dass in Christus, der oberen Quelle, Erquickung zu finden ist, die von keinen Widerwärtigkeiten angetastet werden kann.

Doch es gibt auch die unteren Quellen. Darüber spricht Paulus, wenn er über das Erleiden von Mangel spricht, die Zeiten der Erprobung. Ein Beispiel davon sehen wir auch im zweiten Brief an die Korinther: „Denn meinen Mangel erstatteten die Brüder, die von Mazedonien kamen“ (2Kor 11,9). Es ist eine Erquickung, wenn es Brüder gibt, die uns in unserer Not helfen. Das ist eine Erquickung aus einer niedriger gelegenen Quelle als die Erquickung, die wir vom Herrn selbst empfangen. Dennoch ist das Ergebnis dasselbe. Wir erfahren den Segen des Landes beim Trinken aus beiden Quellen.

Die Erquickung, die wir sowohl aus den oberen als auch aus den unteren Quellen empfangen, macht den Herr Jesus größer. Gott wird verherrlicht, wenn wir große und gute Dinge von ihm erbitten. Wir müssen Ihn nicht auf die Begrenztheit unserer Gedanken verkleinern. Er brachte sein Volk in ein gutes Land, und es war sein Wunsch, sie dort zu segnen. Gott hat auch uns in ein gutes Land gebracht, und Er will nichts lieber tun, als uns dort zu segnen.

Leider sehen wir, dass in unserer Zeit nur wenige Gläubige Interesse und Einsatz für den Segen zeigen, den wir in Aksa vorgestellt sehen. Es kommt noch eine Anwendung hinzu. Aksa war die Frau Othniels; er stellt in unserer Zeit einen Aufseher in der Gemeinde vor, jemand, der das Volk Gottes führt. Aufseher sind Menschen, die erst gut funktionieren, wenn sie eine Frau von dem Kaliber Aksas an ihrer Seite haben. Sie ist ein Mensch, der zu geistlicher Aktivität anspornt.

Die Keniter

Einen Gegensatz zum „Geist der Kraft, der Liebe und Besonnenheit“ (2Tim 1,7) von Kaleb, Aksa und Othniel stellen die Keniter dar. Die Keniter kommen aus Midian, woher auch die Frau Moses stammte (2Mo 2,15-21). Midian war ein Nachkomme Abrahams über seine Frau Ketura (1Mo 25,1; 2). Hierdurch war Midian auf eine doppelte Weise mit Israel verbunden, sowohl über Mose als auch über Abraham.

Es scheint, als ob die Keniter auf Einladung Moses hin mit dem Volk mitgegangen sind, als Israel aus Ägypten auszog (1Sam 15,6). Dennoch haben sie sich nie mit dem Volk Gottes eins gemacht. Es kann sein, dass Israel für die Keniter eine Art Nest darstellte, aber auch nicht mehr (4Mo 24,21). Dieser Vers scheint das zu bestätigen (vgl. Ri 4,17).

Sie ziehen zwar mit den Judäern hinauf, aber sie gehen hin und wohnen bei Arad, ohne dass von Kampf die Rede ist. Sie wollen einfach „beim Volk“ wohnen. Es sind Menschen, die ihre Wüstengewohnheiten beibehalten, während sie im Land des Segens bleiben. Sie profitieren von der Sicherheit, die ihnen das Land gibt, ohne sich um die Segnungen zu kümmern, die das Land in sich birgt. Sie passen sich mit Leichtigkeit ihrer Umgebung an.

Die Bedeutung des Namens Arad schließt hieran an. Arad bedeutet „Ort des Wildesels“. Ein Wildesel stellt einen Menschen vor, der nach seiner eigenen Natur denkt und handelt, ohne Verbindung mit Gott zu haben. An diesem Ort wollen die Keniter wohnen.

In der Christenheit begegnen wir Menschen, die den Kenitern gleichen. Es sind Menschen, die den Mund mit den Dingen Gottes voll haben, während ihr tägliches Leben erkennen lässt, dass ihr Herz nicht sinnt „auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist“ (Mt 16,23).

Lasst uns aufpassen, dass wir ihnen nicht zu ähneln beginnen. Das kann geschehen, wenn wir uns beim Volk Gottes wohl fühlen, weil es uns ein Stück weit Schutz bietet, uns jedoch weiter nicht damit identifizieren wollen. Wir fühlen uns auch bei den Menschen der Welt sehr heimisch. Diese Halbherzigkeit ist kein Schmuck für jemanden, der weiß, mit welchen Segnungen Gott ihn in Christus gesegnet hat. Darum stellen die Keniter einen Gegensatz zu Kaleb und zu seiner Familie dar.

Im Sieg stehen

Nach dem Vers über die Keniter folgen wir wiederum Juda in seinem Kampf, um das ihm zugeteilte Stück Land in Besitz zu nehmen. Nun scheint es sogar so zu sein, dass Simeon die Initiative ergriffen hat, weil es hier heißt „Juda zog mit seinem Bruder Simeon hin“. Zusammen mit seinem Bruder Simeon zog er gegen die Kanaaniter hinauf, die in Zephat wohnten. Nachdem diese Stadt eingenommen ist, bekommt sie den Namen Horma, der „Bannfluch“ oder „vollständige Vernichtung“ bedeutet. Aus der Bedeutung dieses Namens ergibt sich die Vorgehensweise Judas und Simeons mit dieser Stadt. Hierin handeln sie in Übereinstimmung mit Gottes Willen und gleichzeitig zu ihrem eigenen Besten.

Mit einem Feind, der vollkommen vernichtet ist, wird man keine Last mehr haben. Unser Problem ist, dass wir oft nicht radikal genug mit der Welt brechen. Das wird uns in einem bestimmten Moment bitter aufstoßen. Der Feind bekommt von uns nur allzu oft die Gelegenheit, sich wieder von einer Niederlage zu erholen.

Wenn der Herr Jesus sagt: „In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33), dann dürfen wir die Welt als einen besiegten Feind betrachten. Wir dürfen im Sieg stehen. In seinem ersten Brief ermutigt der alte Apostel Johannes seine Leser hiermit: „Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt, und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube“ (1Joh 5,4). Durch den Glauben, der in der neuen Natur wirkt, werden wir den Verführungen der Welt nicht nachgeben. Unser Glaube richtet sich auf Ihn, der die Welt überwunden hat.

Gaza, Askalon und Ekron

Gaza bedeutet „der Starke“, Askalon bedeutet wahrscheinlich „Fußwanderung“ und Ekron bedeutet „Unfruchtbarkeit“. Diese drei Städte mit den dazugehörigen Gebieten werden ebenfalls von Juda eingenommen. Sie sind drei der fünf Hauptstädte der Philister. Die Philister werden im Verlauf dieses Buches noch ausführlich besprochen werden.

Die Schwäche Judas

Juda siegt und nimmt in Besitz, weil der HERR mit ihm ist und weil er auf Ihn vertraut. Was für eine Ermutigung ist das für alle, die den geistlichen Kampf wagen! Der Herr ist allezeit mit denen, die mit Ihm gehen. Das zu tun, was Er sagt, bedeutet Ihn bei uns zu haben. Und welcher Feind ist uns dann gewachsen? Mit dem Herrn sind wir stärker als jeder erdenkliche Feind. Ohne den Herrn verlieren wir gegen den schwächsten Feind.

Dennoch fehlt noch etwas am Glaubensvertrauen Judas. „Die Bewohner der Talebene vertrieb er nicht, weil sie eiserne Wagen hatten.“ Was ist das nun? Der HERR ist mit Juda, wenn er sich an das Wort hält, das Gott ausgesprochen hat, nämlich alle Feinde zu töten. Leider vertraut Juda nicht in vollem Maß auf Gott; er fürchtet sich vor den eisernen Wagen. Das rührt von einem Mangel an Vertrauen auf den Herrn her, was sich schon an der Tatsache zeigte, dass er Simeon bei sich haben wollte (Ri 1,3). Für Gott stellen eiserne Wagen überhaupt kein Problem dar (Jos 11,4; 6; 9; Jos 17,18).

Wer Gottes Kraft nicht für hinreichend erachtet, beschränkt seinen eigenen Sieg. Es ist wie mit den Mauern und den Riesen im Land: Wer diese Gegebenheit mit seiner eigenen Kraft vergleicht, bleibt nirgendwo; wer sie mit Gott vergleicht, sieht keine einzige Schwierigkeit. Dies ist kein Verkleinern des Problems, sondern ein Zurückbringen in die Verhältnisse, wie sie für den Glauben gelten.

In Daniel 2 wird die Kraft des Eisens beschrieben (Dan 2,40). Nichts ist gegen diese Kraft beständig, wenn man sie mit menschlicher Kraft vergleicht. Aber was ist die Kraft des Eisens für Gott? Gott zerbricht das Eisen mit seinem mächtigen Arm. Für Ihn ist es nicht mehr als „Spreu der Sommertennen; und der Wind führte sie weg, und es wurde keine Stätte für sie gefunden“ (Dan 2,35). Unser Problem ist oft, dass wir zu klein von Gott denken, wodurch wir alles nach unseren Fähigkeiten abzumessen beginnen. Dann zeigt sich, dass wir nicht in der Lage sind, eines bestimmten Problems Herr zu werden, was zur Verunehrung Gottes und zum Schaden und zur Schande für uns selbst ist.

Noch einmal Kaleb

Die Haltung Kalebs bildet hier einen solchen Gegensatz zu Juda wie früher zu den Kenitern. Wo Juda versagt, überwindet der Glaube einer Einzelperson. Kaleb fürchtete sich nicht vor den Riesen, wie es acht von den zehn Kundschafter getan haben (4Mo 13,33). Er fühlt sich nicht wie eine Heuschrecke in ihren Augen, sondern er dreht es um: Die Riesen sind Heuschrecken in Gottes Augen (4Mo 14,6-9).

Benjamin

Nach der ausführlichen Beschreibung der Abenteuer Judas und Simeons folgt nun in schnellem Tempo eine Beschreibung der Erfolge, oder besser des Versagens der anderen Stämme. Nachdem sich gezeigt hatte, dass Juda (Ri 1,19) nicht in der Lage war, den Feind zu vertreiben, klingt es wie ein immer wiederkehrender Refrain in den Ri 1,21-36, dass sie die Feinde „nicht vertrieben“ (Ri 1,21; 27; 28; 29; 30; 31; 32; 33).

Der nächstfolgende ist Benjamin. Der Feind, der in Ri 1,8 geschlagen war, ist offensichtlich nicht vollständig geschlagen worden. Ein Teil der Jebusiter ist übrig geblieben, und diese leisten großen Widerstand. Vielleicht ist dies dadurch möglich gewesen, dass Juda lediglich seinen eigenen Teil der Stadt erobert hat. Jerusalem liegt nämlich an der Grenze Judas und Benjamins, wodurch jedem dieser Stämme ein Teil der Stadt zukommt. Wie dem auch sei, der Feind hält sich niemals für geschlagen und findet sogar die Gelegenheit, sich durch die Untreue des Volkes Gottes zu behaupten.

Benjamin lässt den Feind aus lauter Gleichgültigkeit in seiner Mitte wohnen. Benjamin ist eigentlich der Kriegsstamm. In seiner Prophetie hatte Jakob ihn so beschrieben: „Benjamin ist ein Wolf, der zerreißt; am Morgen verzehrt er Raub, und am Abend verteilt er Beute“ (1Mo 49,27). Der Name Benjamin bedeutet „Sohn meiner Rechten“, und die Rechte spricht von Kraft und eine Position der Ehre. Christus wird bald als der wahre Benjamin, als der wahre Sohn zur Rechten Gottes, auf der Erde regieren. Dazu wird er zum Gericht erscheinen. Jetzt ist der Herr Jesus noch im Himmel. Er hat sich „gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe“ (Heb 1,3; vgl. Heb 8,1; Heb 10,12; Heb 12,2).

Benjamin hat vergessen, was über ihn gesagt worden ist. Er ist durch Gleichgültigkeit seiner Berufung untreu. Benjamin stellt unseren Platz in Christus vor. Wenn wir vergessen, dass wir in Christus in die himmlischen Örter versetzt sind und dass wir in Ihm einen Platz zur Rechten Gottes haben, werden wir der Welt um uns her gegenüber gleichgültig und für das Böse, das hier herrscht, unempfindlich. Wir verlieren an Kraft, und der Feind kann seinen Einfluss auf unser Leben ausüben.

Joseph

Hier lesen wir über Joseph. Obwohl der HERR mit ihm ist, haben wir auch hier Hinweise, dass er dem HERRN nicht völlig vertraut. Er zieht im Glauben gegen Bethel hinauf, und darum ist der HERR mit ihm. Doch dann fängt er an, Kundschafter auszusenden. Hatte der HERR das angeordnet? Dies erinnert an die Geschichte in Josua 2. Der Unterschied besteht darin, dass es dort ein Werk des Glaubens war, was hier fehlt. Der Mann aus Lus erweist sich als ein Verräter. Anstatt sich wie Rahab dem Volk Gottes anzuschließen, baut er die vom HERRN verwüstete Stadt anderswo wieder auf.

Immer wieder werden wir daran erinnert, dass wir keinem einzigen Feind vertrauen dürfen oder ihn entkommen lassen sollen. Wir können in geistlichen Dingen mit Ideen dieser Welt keinen Gewinn erzielen, wovon die Verhandlungen Josephs mit dem Mann aus Lus ein Bild sind. Daraus gehen wir auf die Dauer betrogen hervor. Es scheint so, als ob wir Nutzen davon hätten, doch der ist nur von kurzer Dauer. Alles, was wir in unserem Leben rechtfertigen, während es etwas vom Feind, vom Fleisch oder vom Eigenwillen ist, wird sich in einem bestimmten Augenblick gegen uns wenden. Genauso wie hier bei dem Mann aus Lus. Die ganze Stadt wird verwüstet, aber den Mann und seine ganze Familie lassen sie gehen.

Die Namen Bethel, Lus und die Hethiter lassen uns in ihrer Bedeutung die Belehrung erkennen. Bethel bedeutet „Haus Gottes“, Lus „Absonderung“, und die Hethiter stehen für „Kinder des Schreckens“. Der Name der Stadt ist zuerst „Absonderung“. Als solche besitzt sie der Feind. Absonderung ist eine biblische Wahrheit, aber sie kann auf eine verkehrte, unbiblische Weise gelehrt und in die Praxis umgesetzt werden. So wird diese biblische Wahrheit zu einem „Eigentum“ des Feindes.

Ein Beispiel davon sehen wir bei den Pharisäern. Ihr Name bedeutet „abgesondert“. Es gibt unter ihnen positive Ausnahmen, doch im Allgemeinen bilden die Pharisäer eine Gruppe innerhalb des jüdischen Volkes, die sich vom einfachen Volk abgesondert hat; sie finden sich heiliger als die übrigen. Einige Male nennt der Herr Jesus sie Heuchler. In Matthäus 23 stellt Er mit scharfen Ausdrücken ihre Heuchelei an den Pranger. Sie waren dadurch gekennzeichnet, dass sie „schwere und schwer zu tragende Lasten … auf die Schultern der Menschen“ legten, „sie selbst aber wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen“ (Mt 23,4). Dieser Pharisäismus liegt uns allen im Blut, niemand ist davon ausgenommen.

Mit diesem Feind muss abgerechnet werden. Dann kann Lus einen anderen Namen bekommen: Bethel, „Haus Gottes“. Im gegenwärtigen Haus Gottes, der Gemeinde, wohnt Gott (1Tim 3,15). Alle, die Leben aus Gott haben, wohnen auch dort. Wenn die verkehrte Absonderung aus unserem Leben verschwunden ist, können wir anfangen, die richtige Absonderung zu erleben. Absonderung zu Gott hin, Ihm geweiht in seinem Haus dienen. In seiner Gegenwart zu sein bedeutet, dass wir berücksichtigen, dass Er der heilige Gott ist, der überhaupt nichts Böses dulden kann. Der Psalmist sagt über Gottes Haus: „Deinem Haus geziemt Heiligkeit, HERR, auf immerdar“ (Ps 93,5b).

Ein anderes Beispiel verkehrter Absonderung ist das Klosterleben als Mönch oder Nonne. Ohne die Motive zu richten, die jemanden zu einem solchen Leben bringen, ist das Prinzip des Klosterlebens der Schrift fremd. Es unterstellt eine besondere Heiligung für Gott, die so weit geht, dass man sich von den normalen irdischen Dingen absondert, um sich den höheren Dingen zu weihen. Man vergisst dabei jedoch, dass die Sünde im Herzen des Menschen wohnt. Diese verkehrte, äußerliche Form der Absonderung muss überwunden werden.

Es ist schade, wenn wir in bestimmter Hinsicht diese verkehrte Absonderung doch aufrechterhalten. Dieses Verkehrte wird nach Ablauf einiger Zeit sicher wieder stärker werden. Einen Nährboden findet es bei den Hethitern, den „Kindern des Schreckens“. Wer mit dem Pharisäismus in seinem Leben nicht kurzen Prozess macht, wird früher oder später vom Pharisäismus beherrscht werden. Die Folge davon wird sein, dass ein schrecklicher Einfluss vom Leben eines solchen Menschen auf andere ausgeht.

Manasse und die Kanaaniter

Manasse vermittelt uns den Eindruck, dass er keinen einzigen Ort vollständig in Besitz genommen hat. Die ganze Gegend, die ihm zugewiesen war, atmet weiter die kanaanitische Sphäre aus. Obwohl die Kanaaniter Knechte geworden sind und ihre Macht in gewisser Hinsicht gebrochen ist, ist es ihnen doch gelungen, sich selbst zu behaupten. Der Wille der Welt hat noch einen starken Einfluss auf das schwache Volk Gottes.

Der Einfluss der Welt ist eine Gefahr, die alle Christen bedroht. Der Feind kann verpflichtet sein, in den Gläubigen seine Vorgesetzten zu erkennen, doch er bleibt am Leben, wenn wir mit ihm „zu verhandeln“ anfangen. Wir können uns dessen bewusst sein, dass das Fleisch sich keine Geltung verschaffen darf, während wir es doch gebrauchen, um unser Ziel zu erreichen. Ein bestimmter Christ kann zum Beispiel sehr gut reden. Durch allerlei Ursachen kommt er in ein übles Zwielicht, ohne selbst daran schuld zu sein. Wird er nun all sein Rednertalent aus der Kiste holen, um seine Unschuld zu beweisen, oder übergibt er sich dem, „der gerecht richtet“ (1Pet 2,23)?

Ein Beispiel finden wir in 1. Korinther 6. Dort geht es darum, wie wir reagieren, wenn uns von einem Bruder Unrecht angetan worden ist (1Kor 6,6; 7). Gehen wir dann zum weltlichen Richter oder leiden wir lieber Unrecht?

Ephraim und Sebulon

Ephraim und Sebulon lassen die Feinde auch in ihrer Mitte wohnen, sie dulden sie. Sie sind sich nicht darüber im Klaren, dass das Ertragen ihrer Feinde zur Verunehrung Gottes ist. Es ist Sünde. Es bedeutet einfach eine gleichgültige Haltung hinsichtlich des Landes Gottes, das er ganz Israel gegeben hatte.

Aser und Naphtali

Aser und Naphtali treiben es noch bunter: Sie wohnen sogar inmitten der Feinde und gehen auf diese Weise ein bisschen in den Heiden auf. Hier sind die Rollen umgedreht. Die Untreue des Volkes hat immer größere Folgen. Nicht die Feinde wohnen inmitten der Israeliten, was auch bereits Untreue bedeutet, sondern die Israeliten wohnen nun inmitten der Feinde. Die Feinde behalten die Verfügungsgewalt über das Land bei und dulden die Israeliten in ihrer Mitte. Was für eine Schwachheit beim Volk!

Es erinnert an jemanden, der zwar Christ ist und das neue Leben hat, dessen Leben aber von seinem Fleisch diktiert wird, von seinen eigenen Gedanken. Diese Gedanken sind nicht vom Umgang mit Gott geprägt, sondern vom Umgang mit Menschen und Meinungen der Welt.

Dan, die Amoriter und das Haus Josephs

Der Stamm Dan kommt am schlechtesten davon. Die Kinder Dan können die Feinde nicht vertreiben, im Gegenteil, die Feinde vertreiben die sie aus ihrem Erbteil. Dies ist die letzte Phase des Niedergangs, der in diesem Kapitel beschrieben wird. Auf keine einzige Weise genießt man mehr den Segen des Landes.

Diese Haltung der Daniter stimmt mit der eines Christen überein, der ganz von den Dingen der Welt in Beschlag genommen wird. Sicher, er sagt wohl noch, dass er Christ sei, aber in seinem Leben und Reden zeigt sich eigentlich nichts davon. Keine einzige Sache weist darauf hin, dass er es schön findet, etwas über die Dinge Gottes und des Herrn Jesus zu hören oder selbst davon zu sprechen. Daheim bleibt seine Bibel geschlossen, und ans Gebet denkt er nicht.

Die Amoriter sind die ersten Feinde, denen Israel auf seinem Weg ins gelobte Land begegnet ist und die es geschlagen hat. In 5. Mose 2 steht, dass Gott zu seinem Volk sagt, dass es einen Anfang mit der Inbesitznahme des Landes machen solle, indem es mit den Amoritern kämpft: „Siehe, ich habe Sihon, den König von Hesbon, den Amoriter, und sein Land in deine Hand gegeben; beginne, nimm in Besitz und bekriege ihn!“ (5Mo 2,24). Dieser Kampf spielt sich ab, bevor sie durch den Jordan gegangen sind. Es ist ein Gebiet, das sich nicht im verheißenen Land befindet, sondern an der Wüstenseite des Jordan.

Es redet also nicht von den geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern, sondern von irdischen Segnungen. Auch für alle irdischen Segnungen haben wir Gott zu danken. Unter irdischen Segnungen können wir Dinge wie Gesundheit, eine gute Ehe, eine schöne Arbeitsstelle, einen angenehmen Urlaub verstehen. Es sind also nicht unsere eigentlichen geistlichen, himmlischen und ewigen Segnungen. Irdische Segnungen besitzen wir gemeinsam mit Ungläubigen. Es besteht nur dieser Unterschied: Der Christ nimmt diese Dinge aus Gottes Hand an und dankt Ihm dafür, was der Ungläubige nicht tut.

Wenn der Christ jedoch anfängt, solche Segnungen als selbstverständlich zu betrachten, wird er von den Amoritern aus seinem Erbteil vertrieben. Er tut alles, um gesund zu bleiben und vergisst, dass er in Gottes Hand ist; er tut alles, um seine Ehe gut zu erhalten und hat nie Zeit, um einem anderen geistlich zu dienen; sein Beruf ist ihm alles, er ist ein echter Workaholic, was auf Kosten des Besuchs der christlichen Zusammenkünfte geht; er tut alles, um aus seinem nächsten Urlaub einen noch größeren Erfolg als aus seinem letzten zu machen: Er studiert Reiseführer, wägt die verschiedenen Urlaubsziele ab, beschafft sich so viele Informationen wie möglich, um ganz vorbereitet ans ausgewählte Ziel zu reisen. Aber er hat kein Interesse, zeigt keinen Einsatz und hat keine Zeit für das, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.

Glücklicherweise ist das Haus Josephs so aufmerksam, dass es den Amoritern Einhalt gebietet. Glücklicherweise gibt es noch Menschen im Volk Gottes, die einen Blick für die Gefahren der irdischen Segnungen haben. Lasst uns auf sie hören und unseren Nutzen daraus ziehen.

© 2023 Autor G. de Koning

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