Johannes 2
John 2 Kingcomments Bibelstudien

Eine Hochzeit am dritten Tag

Johannes, der Schreiber dieses Evangeliums, spricht hier von einem „dritten Tag“. Damit könnte er den dritten Tag nach dem Eintreffen des Herrn in Galiläa meinen. Es könnte aber auch der dritte Tag nach dem Gespräch des Herrn mit Nathanael am Ende des vorigen Kapitels gemeint sein. Johannes hat bereits mehrmals über den „folgenden Tag“ gesprochen (Joh 1,29; 35; 43), und das hat nicht nur eine geschichtliche, sondern darüber hinaus vor allem eine prophetische Bedeutung. In diesen aufeinanderfolgenden Tagen können wir eine Reihenfolge von aufeinanderfolgenden Zeitspannen mit jeweils besonderen Merkmalen erkennen. In jeder dieser Zeitspannen bildet der Herr den Mittelpunkt, doch Er wird jedes Mal in einer anderen Beziehung und Herrlichkeit gesehen.

Beim ersten Mal, wo vom „folgenden Tag“ die Rede ist (Joh 1,29), geht ein Tag voraus, den wir den ersten Tag nennen können. Dieser Tag steht im Zeichen der Predigt Johannes’ des Täufers (Joh 1,19-28). Doch auch diesem ersten Tag geht etwas voraus, nämlich das, was wir in den ersten Versen von Kapitel 1 gefunden haben (Joh 1,1-18). Diese Verse bilden eine allgemeine Einleitung des gesamten Evangeliums. Sie handeln von dem ewigen Wort, das Fleisch geworden und auf diese Weise in die Welt gekommen ist. Dadurch verbindet sich die Ewigkeit mit der Zeit und dem Leben auf der Erde. Sobald das der Fall ist, erklingt das Zeugnis Johannes’ des Täufers. Johannes der Täufer ist mit dem Alten Testament verbunden, doch sein Auftreten schließt diese Zeit ab (Mt 11,13). Es geht um den, der nach ihm kommt.

Auf Ihn weist er am „folgenden Tag“ (Joh 1,29) hin, und zwar als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt. Er bezeugt von Ihm, dass Er der Sohn Gottes ist (Joh 1,29-34). Das ist ein neues Zeugnis über die Person und das Werk Christi, dessen Ergebnisse sich bis in alle Ewigkeit erstrecken.

Am darauf „folgenden Tag“ (Joh 1,35) wird Christus der Anziehungspunkt für die Gläubigen (Joh 1,35-42). Das können wir mit der Zeit in Verbindung bringen, in der wir leben und in der der Herr Jesus durch den Heiligen Geist die Gemeinde bildet und mit sich verbindet. Das erfahren Gläubige, wenn sie sich um Ihn versammeln (Mt 18,20).

An einem weiteren „folgenden Tag“ (Joh 1,43) hören wir das Zeugnis Nathanaels. In diesem Zeugnis bekennt Nathanael, dass der Herr Jesus der Sohn Gottes und der König Israels ist. So hat Nathanael als gottesfürchtiger Israelit Ihn in Psalm 2 kennengelernt (Ps 2,6; 7). Nathanael ist ein Bild des gläubigen Überrestes Israels, der Ihn als Sohn Gottes und König Israels erkennen wird. Das wird geschehen, wenn Er nach der Zeit der Sammlung der Gemeinde zu seinem Volk Israel zurückkehrt, um seinem Volk den lange verheißenen Segen zu erfüllen.

Schließlich ist in Joh 2,1 von diesem Kapitel die Rede vom „dritten Tag“. Der dritte Tag spricht in der Schrift meistens von der Auferstehung des Herrn Jesus (z. B. Joh 2,19) und damit von der Einführung einer neuen Ordnung der Dinge. Hier sehen wir Christus im Friedensreich, wenn Er seinem Volk Segen und Freude bringt und durch das Volk für die ganze Erde. Deshalb spricht Johannes in Verbindung mit dem „dritten Tag“ über eine Hochzeit. Das ist eine Illustration des „Größeren“, wovon der Herr in den letzten Versen des vorigen Kapitels geredet hat.

Dass es ein Segen ist, an dem auch das Volk Israel teilhaben wird, erkennen wir daran, dass auch „die Mutter Jesu“ anwesend war. Christus ist ja aus Israel geboren (Röm 9,4; 5). Außer dem allgemeinen Segen für die ganze Erde gibt es auch einen besonderen Segen für Israel. Doch dieser Segen kann erst geschehen, wenn dieses Volk, das heißt ein Überrest, sich zu Ihm bekehrt haben wird. In Verbindung mit dieser Bekehrung ist auch von einem „dritten Tag“ die Rede (Hos 6,1; 2).

Mangel an Wein

Wie wir auch in den anderen Evangelien sehen, wird der Herr Jesus immer wieder irgendwo eingeladen, und oft nimmt Er diese Einladung auch an. So ist Er hier, zusammen mit seinen Jüngern, die Er im vorigen Kapitel um sich versammelt hat, zur Hochzeit eingeladen. Wir finden hier einen schönen Hinweis für alle Hochzeiten von Gläubigen. Gott ist es, der die Ehe eingerichtet hat und die erst dann zu ihrer vollen Entfaltung kommt, wenn sie in Gegenwart des Herrn Jesus und der Gläubigen gefeiert wird. Damit anerkennt man, dass Er die Hochzeitsfeier eingerichtet hat, und erbittet seinen Segen zu dieser Ehe.

Es scheint allerdings so, dass der Herr hier zwar eingeladen wurde, dass Er aber nicht besonders aufgefallen ist. Er ist einer unter anderen Gästen, und das ist ein Platz, der Ihm nicht gerecht wird. Wo Er ist, steht Ihm der erste Platz zu.

In einem bestimmten Augenblick mangelt es an Wein. Das ist auf einer Hochzeit eine Katastrophe, weil es das Ende der Freude bedeutet, von der der Wein spricht (Ri 9,13; Ps 104,15). Die Mutter des Herrn Jesus bemerkt das und berichtet es ihrem Sohn. Sie weiß, dass Er der Not abhelfen kann.

Der Herr weist seine Mutter mit einer Antwort zurecht, die zeigt, dass sie Ihn zu einem vorzeitigen Handeln veranlassen will. Möglicherweise spielen auch ihre Muttergefühle eine Rolle, indem sie meint, dass es eine schöne Gelegenheit für ihren Sohn sei, sich bekanntzumachen. Er lässt sich jedoch nicht durch natürliche Zuneigung leiten, die ansonsten gut und richtig ist. Er ist Gott, der in allem vollkommen den richtigen Zeitpunkt zum Handeln kennt.

Er weist seine Mutter auf angemessene Weise zurecht. Sie muss auf die Stunde oder den Augenblick warten, die Er bestimmt. Damit macht Er deutlich, dass seine Stunde, wo Er verherrlicht werden wird, noch nicht gekommen ist. Zuerst muss die Stunde kommen, wo Er sich selbst hingibt, um zu leiden und zu sterben (Joh 7,30; Joh 8,20; Joh 12,27). Erst danach wird die Stunde seiner Verherrlichung kommen (Joh 12,23; Joh 13,1; Joh 17,1).

Wir sehen übrigens in seiner Zurechtweisung der Maria einen deutlichen Beweis dafür, wie unangebracht die Marienverehrung ist. Auch sie war ein fehlbarer Mensch, so bevorrechtigt sie auch war, die Mutter des Herrn Jesus zu sein. Doch sie hatte wie jeder andere Mensch die Erlösung nötig, die Er am Kreuz bewirkt hat.

Maria lehnt sich gegen die Zurechtweisung ihres Sohnes nicht auf. Sie hat das verstanden und als berechtigt angenommen. Das geht aus ihren Worten an die Diener hervor. Ihr Vertrauen auf Ihn bleibt unerschüttert. Sie weiß, dass Er eine Lösung geben wird, doch dann zu seiner Zeit. Darum gibt sie den Dienern die Anweisung, alles zu tun, was Er sagt.

Das sind die letzten Worte, die wir von Maria in der Bibel finden. Auf jedes Wort des Satzes: „Was irgend er euch sagen mag, tut“, kann man die Betonung legen. Was: worum auch immer es geht. Irgend: dass das, was Er sagt, muss geschehen und nichts anderes, man kann also nicht nach eigenem Gutdünken handeln. Er: das ist der Herr Jesus, der Gebieter, der spricht. Mit euch ist jeder persönlich angesprochen. Sagen mag weist auf die Worte hin, die Er spricht. Tut ist die Ausführung dessen, was Er sagt.

Der Herr verwandelt Wasser in Wein

Dort stehen sechs steinerne Wasserkrüge. Sie standen dort, damit die Gäste sich an die jüdischen Reinigungsvorschriften halten konnten. Der Inhalt der Krüge variiert zwischen zwei und drei Maß, das sind zweimal oder dreimal 39 Liter. Der Herr gibt den Auftrag, die Wasserkrüge mit Wasser zu füllen. Offensichtlich sind sie leer.

Das macht symbolisch deutlich, dass es nach der der jüdischen Reinigungssitte keine Reinheit vor Gott geben kann. In anderen Evangelien hat der Herr die äußere Reinheit, die man mit den jüdischen Reinigungssitten erreichen wollte, scharf verurteilt (Mt 15,1-9; Mk 7,1-16). Menschen, die an einem äußerlichen Ritual hängen, nehmen sich selbst wichtig. Ihnen fehlt die wahre Freude, weil sie keine Gemeinschaft mit Christus haben. Nur Er allein kann durch das Wasser, das Er gibt und das Er in Wein verwandelt, die hohlen, toten Rituale verändern.

Dem Befehl des Herrn wird Folge geleistet, die Krüge werden bis an den Rand mit Wasser gefüllt. Es ist gut, dem Befehl des Herrn mit größtmöglichem Gehorsam zu entsprechen. Dann ist der Segen auch am größten. Wir sehen auch, dass Er immer Aufträge gibt, die Menschen auch ausführen können; dann tut Er Dinge, die Menschen nicht tun können. So gibt Er Menschen den Befehl, den Stein vom Grab des Lazarus zu entfernen. Danach ruft Er Lazarus ins Leben zurück (Joh 11,39; 43).

Nachdem die Krüge mit Wasser gefüllt sind, sagt Er ihnen, sie sollten aus den Krügen schöpfen und es zum Speisemeister bringen. Dieser Mann ist für den Verlauf des Festes verantwortlich. Er befindet sich daher in einer peinlichen Situation und braucht dringend eine Lösung. Sie bringen das, was sie aus den Wasserkrügen geschöpft haben, dem Speisemeister. Da zeigt sich, dass der Herr das Wasser in Wein verwandelt hat. Er hat das ohne ein besonderes Wort oder eine besondere Handlung getan.

Das ist ein schönes Bild davon, wie die Freude in das Leben eines Menschen hineinkommt. Zunächst muss ein Mensch durch das Wort Gottes (wovon das Wasser ein Bild ist, Eph 5,26) gereinigt werden. Das geschieht, wenn er sich selbst im Licht des Wortes Gottes als Sünder erkennt, seine Sünden bekennt und an den Heiland Jesus Christus glaubt. Das Ergebnis ist Freude. Das wird auch mit der Verwandlung von Himmel und Erde für das Friedensreich geschehen. Wenn diese durch das Gericht gereinigt ist, kann allgemeine Freude auf der Erde entstehen.

Der Speisemeister kostet das Wasser, das die Diener ihm bringen. Er schmeckt kein Wasser, sondern Wein. Als die Diener das Wasser aus den Krügen schöpften, war es noch immer Wasser. Als der Speisemeister es jedoch kostet, schmeckt er Wein. Christus hat durch seine Macht ein Wunder gewirkt. Niemand hat gesehen, wie es geschah, doch wer es schmeckt, erfreut sich an dem Ergebnis.

Nachdem der Herr bei Nathanael seine göttliche Allwissenheit gezeigt hat (Joh 1,48), zeigt Er hier seine göttliche Allmacht. Jeder kann seine Allmacht „schmecken“, doch nur die, die tun, was „irgend er euch sagen mag“, sehen, wer hinter diesen Werken der Allmacht steht.

Der Speisemeister weiß nicht, woher der Wein kommt. Er erfreut sich allein an dem Ergebnis. Die Diener wissen natürlich, woher der Wein kommt. Schließlich haben sie die Krüge mit Wasser gefüllt und danach daraus geschöpft. Aber sie wissen nicht, wie das Wasser in Wein verwandelt wurde.

Der Speisemeister fragt nicht die Diener, wie sie an diesen guten Wein gekommen sind, sondern ruft den Bräutigam herbei. Er schlussfolgert ohne weiteres Nachfragen, der Bräutigam sei für den Gang der Dinge verantwortlich. Er denkt nicht an ein Wunder und schon gar nicht an den Herrn Jesus. Stattdessen hat er selbst eine natürliche Erklärung. So reagieren ungläubige Menschen auf alles, was sie erleben. Sie sehen die Schöpfung, doch sie leugnen den Sohn Gottes als ihren Ursprung.

Der Herr handelt nicht so wie Menschen. Menschen wollen zuerst das Gute, und wenn ihre Möglichkeiten für das Gute ausgeschöpft sind, gehen sie zu einer geringeren Qualität über. Bei Ihm ist das umgekehrt. Er bewahrt das Gute für später auf.

Für den Glauben ist das eine große Ermutigung. Der Gläubige darf wissen, dass beim Herrn Fülle von Freude ist (Ps 16,11). Christus selbst ist einen Weg der Leiden gegangen, wobei Er zugleich auf die Freude sah, die Er am Ende dieses Weges genießen würde (Heb 12,2). Auch für Menschen in schwerem Leid ist das eine große Ermutigung. Der Herr bringt jeden Menschen, der aus der Tiefe zu Ihm ruft, zur höchsten Höhe.

Der Anfang der Zeichen

In diesem ersten Zeichen wird die Herrlichkeit des Herrn Jesus in Gnade offenbart. In Ihm kehrt die Herrlichkeit Gottes zurück, die sich wegen der Sünden seines Volkes aus Israel, aus seinem Tempel, hatte zurückziehen müssen (Hes 11,23). Die Herrlichkeit war zum Himmel zurückgekehrt. Doch nun ist die Herrlichkeit Gottes in der Person des Sohnes wieder auf die Erde gekommen.

Das erste Zeichen enthält eine wichtige Belehrung über die Offenbarung seiner Herrlichkeit; wir müssen sie lernen, um seine Herrlichkeit wirklich erkennen und genießen zu können. Mit diesem ersten Zeichen wird nämlich klar, dass es nur beständige Freude (Wein) geben kann, wenn diese Freude Reinigung (Wasser)zur Grundlage hat.

Durch dieses Zeichen werden die Jünger in ihrem wachsenden Glauben befestigt. Maria erwartete, dass der Herr ein Wunder tun würde. Was Er tat, war auch ein Wunder, doch Johannes nennt es nicht so. Er will nicht die Betonung auf das Wirken von Wundern legen, als vielmehr auf die Bedeutung dieses besonderen Ereignisses. Johannes wird von dem Geist inspiriert, die besonderen Ereignisse als Zeichen vorzustellen, die deutlich machen, was das Ziel des Kommens des Herrn Jesus ist. Das Ziel ist: Menschen in die Freude seines Reiches einzuführen, ja noch mehr, in die Freude der Gemeinschaft mit dem Vater und Ihm selbst (Joh 15,11; Joh 17,13; 1Joh 1,4).

Johannes hat nach diesem ersten Zeichen der Verwandlung von Wasser zu Wein noch mehr Zeichen des Herrn in sein Evangelium aufgenommen: drei Heilungen (Joh 4,53; 54; Joh 5,9; Joh 9,6; 7), eine Auferweckung aus den Toten (Joh 11,42; 43), eine Speisung (Joh 6,1-15) und einen Fischfang (Joh 21,6). Der Herr hat noch viel mehr getan, als Johannes berichtet, aber die Zeichen, die Johannes berichtet, dienen dem besonderen Ziel, dass der Leser seines Evangeliums glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und dass jeder, der glaubt, Leben hat in seinem Namen (Joh 20,30; 31).

Die Tempelreinigung

Nachdem der Herr in Kana seine Herrlichkeit offenbart hat, geht Er nach Kapernaum hinab. Er ergreift die Initiative. Er geht voraus, während seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger mit Ihm gehen. Josef fehlt. Er wird zum letzten Mal erwähnt, als Jesus zwölf Jahre alt ist (Lk 2,48). Zweifellos ist er vor dem öffentlichen Auftreten des Herrn gestorben. Die Brüder des Herrn glauben zu dieser Zeit noch nicht an Ihn (Joh 7,5). Später sind sie zum Glauben gekommen (Apg 1,14).

Der Herr geht anlässlich des Passahfestes hinauf nach Jerusalem. Dies ist das erste Passah, das während seines Lebens auf der Erde erwähnt wird (weitere in Joh 6,4; Joh 11,55). Es ist aufschlussreich, dass Johannes hier vom „Passah der Juden“ spricht. Das bedeutet, dass der Geist Gottes es hier nicht als „Passah des [dem] Herrn“ sieht, so wie es ursprünglich gedacht war (2Mo 12,11; 3Mo 23,5). Die Juden hatten daraus ihr eigenes Fest gemacht (vgl. Joh 5,1; Joh 7,2). Dabei beachteten sie nicht die gerechten und heiligen Ansprüche Gottes und seine Absicht mit diesem Fest. Das wahre Passah, Christus (1Kor 5,7), ist anwesend, und sie verwerfen Ihn. Wie können sie da ein Fest feiern, das dem Herrn wohlgefällig ist?!

Zu diesem Fest sind viele Juden aus dem ganzen Land nach Jerusalem gekommen. Solche, die von fern gekommen sind, haben keine Opfertiere mitgebracht. Gott hatte es so geregelt, dass solche Israeliten Geld mitnehmen und in Jerusalem Opfertiere kaufen konnten (5Mo 14,24-26). Doch um eine solche Situation geht es hier nicht, als der Herr im Tempel die Verkäufer von Opfertieren und die Geldwechsler antrifft. Die Menschen, die dasitzen, um zu verkaufen, sind darauf aus, so viel Gewinn wie nur möglich zu machen. Sie rechnen nicht mit Gott, sie denken nur an sich selbst. Das ruft beim Herrn Entrüstung hervor und veranlasst Ihn, den Tempel mit einer aus Stricken selbsthergestellten Geißel zu reinigen.

Diese Tempelreinigung findet vor dem öffentlichen Auftreten des Herrn statt. In den anderen Evangelien wird von einer weiteren Tempelreinigung berichtet, und zwar am Ende des Erdenlebens des Herrn (Mt 21,12; Mk 11,15; Lk 19,45). Dass Johannes von einer Tempelreinigung zu Beginn seines Auftretens berichtet, ist ein Beweis dafür, dass Johannes da anfängt, wo die anderen enden. Die anderen Evangelien beschreiben, wie der Herr schließlich von seinem Volk verworfen wird und wie auch Er seinerseits Israel verwirft. Im Johannesevangelium ist Christus von Anfang an verworfen, so wie auch Er das Volk verwirft (Joh 1,11).

Wir sehen hier, wie der Herr plötzlich zu seinem Tempel kommt, um zu richten (vgl. Mal 3,1). Bevor Er Segen und Freude aufgrund der Reinigung durch Bekehrung wirken kann – so haben wir das in der vorhergehenden Begebenheit gesehen –, geht eine Reinigung durch Gericht voraus. Das sehen wir in der Reinigung des Tempels. In diesem Zentrum des religiösen Lebens wird deutlich, wie notwendig Reinigung ist.

Dasselbe sehen wir zum Beispiel in den römischen Reliquien, die „Gläubige“ kaufen können. Aber auch im Protestantismus gibt es einen ähnlichen Handel. Man arbeitet beständig mehr mit Kerzen und Abbildungen. Auch Nachbildungen von Nägeln, mit denen der Herr Jesus gekreuzigt worden sein soll, sind begehrte Artikel. Der römische Katholizismus ist neben einer religiösen auch eine wirtschaftliche Macht. Der Herr Jesus wird über beide Mächte das Gericht bringen (Off 17,16; Off 18,1-3).

Er nennt den Tempel allerdings noch „das Haus meines Vaters“. Das bedeutet nicht, dass Gott noch dort wohnte. Seine Herrlichkeit hatte ja den Tempel verlassen (Hes 10,18; Hes 11,23), und auch die Bundeslade stand nicht mehr darin. Dieser Tempel wurde von Herodes stark erweitert, ohne dass er dazu einen Auftrag von Gott gehabt hätte. Doch in dem Augenblick, als der Sohn Gottes den Tempel betritt und solange Er dort ist, ist die Herrlichkeit Gottes gegenwärtig und ist der Tempel das Haus seines Vaters.

Er gebietet allen, die das Haus seines Vaters zu einem Kaufhaus gemacht haben, ihre Sachen zusammenzupacken und zu entfernen. Er handelt als der Herr mit göttlichen Rechten. Durch sein Auftreten werden die Jünger an ein Zitat aus Psalm 69 erinnert (Ps 69,10). Über Ihn, der sich öffentlich mit den Interessen seines Vaters und dessen Haus identifiziert, hat der Geist der Weissagung gesprochen. Das kommt den Jüngern in den Sinn. Wie gut ist es, das Wort Gottes zu kennen, so dass der Geist uns in bestimmten Umständen zu unserer Ermutigung daran erinnern kann.

Frage nach dem Zeichen seiner Autorität

Die Juden reagieren ganz anders als die Jünger, denen der Geist das Wort in Erinnerung rufen kann. Das kann Er bei den Juden nicht tun, weil sie den Sohn verwerfen. Sie bitten Ihn, als Beweis, dass Er die Vollmacht für dieses Vorgehen hat, ihnen ein Zeichen zu geben. Juden sind immer auf Zeichen aus (1Kor 1,22; 23). In den Evangelien bitten sie beständig darum (Mt 12,39; 40; Mt 16,4). Wer jedoch blind ist für das größte Zeichen ‒ das ist Er selbst ‒, kann durch kein einziges anderes Zeichen überzeugt werden.

Dennoch gibt Er ein Zeichen. Das Zeichen, auf das Er sie hinweist, hat mit seinem Leib zu tun. Er deutet den Juden an, dass sie seinen Leib abbrechen, Ihn also töten werden. Aber das ist nicht sein Ende. Der Herr sagt, dass Er nach drei Tagen wieder auferstehen würde. Er spricht hier von der Kraft, die Er besitzt, um selbst aus den Toten aufzuerstehen (Joh 10,17).

Die Juden verstehen nicht, worüber Er spricht. Sie meinen, Er spreche vom Tempel des Herodes, an dem sechsundvierzig Jahre gebaut wurde. Sie können das als Ungläubige auch nicht begreifen (1Kor 2,14).

Johannes erklärt uns als seinen Lesern, dass der Herr Jesus von dem Tempel seines Leibes sprach (vgl. 1Kor 6,19). Auch die Jünger haben die volle Bedeutung seiner Worte erst nach seiner Auferstehung verstanden. Dann haben sie kraftvoll seine Auferstehung bezeugt (Apg 2,24-32). Seine Auferstehung beweist, dass Er Gottes Sohn „in Kraft“ ist (Röm 1,4).

Jesus selbst weiß, was in dem Menschen ist

Wir kommen nun zu einem neuen Abschnitt des Evangeliums. Es geht darin um den Menschen geht und um den Zustand, in dem er sich befindet. Im ersten Teil dieses Kapitels (Joh 2,1-12) ist in der Verwandlung von Wasser in Wein die Freude des Reiches vorgestellt, im zweiten Teil (Joh 2,13-17) in der Reinigung des Tempels die Kraft des Reiches, und in den Joh 2,18-22 finden wir das Recht des Herrn auf dieses Reich.

Nun muss noch festgestellt werden, wer mit Ihm in das Reich eingehen kann. Die Juden nahmen als selbstverständlich an, dass sie in das Reich eingehen würden. Doch der Herr selbst vertraute sich ihnen nicht an. Darum folgt in Kapitel 3, was nötig ist, um hineingehen zu können.

Der Herr Jesus, der Herr (Jahwe) und Messias, ist während des Passahs in der von Gott auserwählten Stadt. Das Passah ist das Fest, das in besonderer Weise die Barmherzigkeit Gottes gegenüber seinem Volk deutlich macht. Die vielen Lämmer, die an diesem Tag geschlachtet werden, hätten die Juden daran erinnern müssen, dass Gott ein gerechter Richter ist, der den Sünder richten muss, wenn er nicht Zuflucht hinter dem Blut des Passahlamms sucht. Nun steht das Lamm Gottes vor ihnen. Aber sie erkennen Ihn nicht. Wohl sehen sie, dass Er viele Zeichen tut. Das bringt viele dazu, an seinen Namen zu glauben.

Was die äußeren Umstände betrifft, so scheint alles dafür vorbereitet zu sein, dass Christus von seinem Volk angenommen wird. Es sind ja viele, die an seinen Namen glauben. Doch der Glaube hier ist nicht die innere Überzeugung von der Wahrheit Gottes, die dazu führt, dass man sich Gott unterwirft. Der Glaube dieser Menschen ist ihr Urteil über das, was ihnen Befriedigung verschafft, über das, was sie als angenehm empfinden. Ihr Glaube gründet sich auf das, was sie sehen. Sie ziehen den Schluss, dass der Herr Jesus der Messias ist, doch sie unterwerfen sich Gott nicht und nehmen sein Zeugnis nicht an. Der Mensch sitzt auf dem Thron und urteilt. Ihr Urteil entspringt ihren Neigungen.

Was uns ein Glücksgefühl verschafft, glauben wir leichter. Doch was uns zutiefst demütigt und uns verurteilt, dagegen lehnen wir uns auf, und das verwerfen wir. Solange Jesus als der gesehen werden kann, der die Menschheit und die Lebensumstände des Menschen verbessert, gibt es ein schnelles und warmes Willkommen. Er füllt dann den Mangel des Menschen aus. Der Mensch hat viel Gutes, doch ihm fehlt noch etwas zum optimalen Glück. Wenn Jesus das geben würde, könnte der Mensch sich behaupten und sogar glänzen. Doch wie soll er das annehmen, was ihn zu nichts macht, ihn moralisch verurteilt und ihm die ernste Warnung des ewigen Gerichts im Feuersee vorhält? Das hasst er, und damit auch die Person, um die es bei Gott geht.

Christus vertraut sich nur dem an, der zerbrochen ist (Ps 51,19) und sich unter Bekenntnis seiner Sünden vor Gott in den Staub beugt. Dann kann man von Bekehrung sprechen, gewirkt durch die Gnade Gottes. Es ist ernüchternd zu lesen, dass der Herr Jesus sich Menschen nicht anvertraut, die doch an Ihn glauben. Der Grund ist, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der zwar Fleisch geworden ist, der aber zugleich der allwissende Gott und der Richter der Lebenden und der Toten ist. Er kennt alle durch und durch. Niemand kann Ihm was vortäuschen. Er lässt sich nicht durch äußere Dinge leiten.

Er weiß, was ihr Glaube wert ist und dass es keinerlei Sündenerkenntnis vor Gott gibt oder die Einsicht der Notwendigkeit von Reue und Buße. Niemand braucht Ihm den Zustand, in dem der Mensch sich befindet, zu erklären. Er weiß vollkommen, was im Menschen ist und was ihn antreibt. Der Grund dafür, dass er sich ihnen nicht anvertraut, liegt in der unverbesserlichen Bosheit des Menschen und daran, dass der Mensch das nicht einsieht. Der Sohn Gottes stellt in diesem Evangelium von Anfang an die unverbesserliche Verdorbenheit des Menschen fest, denn Gott hat in seinen Gedanken keinen Platz, sondern das eigene Ich steht im Mittelpunkt.

© 2023 Autor G. de Koning

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