Johannes 1
John 1 Kingcomments Bibelstudien

Einleitung

Wenn wir eine Person beschreiben, können wir das aus verschiedenen Blickwinkeln tun. So können wir beispielsweise jemanden als Vater einer Familie beschreiben. Danach können wir dieselbe Person auch möglicherweise als einen Kollegen oder einen Nachbarn beschreiben. Wir sehen, wie auf diese Weise vier Evangelisten – unter der Inspiration des Heiligen Geistes – über das Leben des Herrn Jesus während seines Hierseins auf der Erde berichtet haben. In den vier Lebensbeschreibungen, die wir dadurch in der Bibel haben, berichtet Matthäus in seinem Evangelium über den Herrn Jesus als König, Markus stellt Ihn als Diener vor, Lukas beschreibt Ihn als den wahren Menschen und Johannes schreibt schließlich über Ihn als den ewigen Sohn Gottes.

Die vier lebendigen Wesen im Buch der Offenbarung (Off 4,7) sind ausgezeichnete Symbole für jedes der vier Evangelien. Das vierte dieser vier lebendigen Wesen ist gleich einem fliegenden Adler. Dieses Symbol passt zu dem Evangelium, das den Herrn Jesus als den Sohn Gottes vorstellt, der aus dem Himmel auf die Erde gekommen ist. Die Farbe, die zu diesem Evangelium passt, ist das Blau.

Das Ziel dieses Evangelium ist, dass wir den Herrn Jesus als Gott, den Sohn, betrachten. Daher auch die Aufforderung „Siehe da, euer Gott“ (Jes 40,9). Auf der einen Seite lesen wir, dass niemand Gott jemals gesehen hat oder sehen kann (Joh 1,18; 1Tim 6,16), doch andererseits wird vom Herrn Jesus gesagt, dass Er als der eingeborene Sohn, der in dem Schoß des Vaters ist, Ihn kundgemacht hat (Joh 1,18b; Joh 14,9). Das wird in diesem Evangelium auf einzigartige Weise beschrieben.

Einer der Korrekturleser gab bei der Abgabe seiner letzten Korrekturen seinen Eindruck von diesem Evangelium wie folgt wieder: „Wir haben es hier mit einem begrenzten Flussbett zu tun, aber der Strom selbst ist nicht begrenzt. Und das ist ein beglückender Gedanke. Ich hoffe, dass ich dir mit meinem Beitrag helfen konnte. Es war ein großes Vorrecht, dieses Evangelium so intensiv zu lesen und zu überdenken. Allerdings meine ich fast, dass ich nun noch weniger davon verstehe als vorher, weil es besonders reich ist. Welch ein Glück ist es, durch den Glauben das Leben in seinem Namen zu haben.“

Einleitung auf das Evangelium nach Johannes

Das Johannesevangelium hat einen besonderen Charakter. Jeder, der es aufmerksam liest, wird das feststellen, selbst wenn man nicht immer deutlich versteht, warum das so ist. Es beeindruckt nicht nur den Geist, sondern zieht in einzigartiger Weise das Herz an: Dieses Evangelium stellt die Person des Sohnes Gottes als den vor, der sich so erniedrigt hat, dass Er sagen konnte: „Gib mir zu trinken“ (Joh 4,7).

Dieses Evangelium unterscheidet sich deutlich von den drei anderen Evangelien. Dort finden wir sehr wertvolle Einzelheiten über das Leben des Heilands auf der Erde wie seine Geduld und seine Gnade. Er ist der vollkommene Ausdruck des Guten inmitten des Bösen. Seine Wunder sind allesamt (mit Ausnahme der Verfluchung des Feigenbaums) Wunder der Güte, Äußerungen göttlicher Kraft in Güte. Dabei sehen wir mit zunehmender Deutlichkeit, wie Er, der auf diese beeindruckende Weise Gott in Güte und Gnade offenbart, verworfen wird.

Johannes zeigt Ihn uns ganz anders. Er stellt Ihn uns als eine göttliche Person vor, Gott, offenbart in der Welt. Diese göttliche Person ist das ewige Leben. In Ihm ist dieses Leben zu sehen. Aber es ist deutlich, dass die Welt und die Seinen (gemeint ist Israel) von Anfang an keine Verbindung damit haben. Es geht in diesem Evangelium nicht um die Bedürfnisse des Sünders, sondern um das Verlangen des Herzens Gottes, des Vaters, Kinder bei sich im Vaterhaus zu haben. Und diesen Segen des Vaterhauses möchte Er jetzt schon mit seinen Kindern teilen.

Außerdem geht es in diesem Evangelium, abgesehen von einigen wenigen Stellen, nicht um den Himmel. Fast immer geht es um die Gnade und die Wahrheit im Sohn hier auf der Erde.

Johannes schreibt sein Evangelium, um den Einfluss der sogenannten Gnostiker zu entkräften. Diese Leute (wörtlich „Wissende“) leugneten jede gewisse Kenntnis über Gott und über göttliche Dinge. Sie leugneten sowohl die eigentliche Gottheit als auch die wirkliche Menschheit des Sohnes. Johannes formuliert das Ziel des Evangeliums in Kapitel 20,30.31, das er mit seinem Evangelium verfolgt.

Durch den merklich zunehmenden Einfluss, den der Islam auf Christen ausübt, ist dieses Evangelium auch in dieser Hinsicht aktuell. Ich las in der Monatsschrift De Oogst (Die Ernte) vom April 2008 Folgendes: „Dass die Gottheit Jesu Christi um den Preis einer guten Beziehung zum Islam ausverkauft wird, zeugt von der Aushöhlung und dem Verfall des Christentums. … Kürzlich hieß es in einer Untersuchung über Willow Creek, dass von einer zunehmenden Zusammenarbeit zwischen der Kirche und dem Islam viel Heil zu erwarten sei; Christen und Moslems müssten eine stets wachsende Einheit bilden. Schließlich seien sie beide Menschen des Buches, sie verehrten gemeinsam denselben Propheten, sie stimmten in sehr vielen religiösen Bereichen überein wie Gebet, Sexualität, Sünde und Familie. Auch in sozialer Hinsicht bestünden viele Übereinstimmungen zwischen Christen und Moslems. Sie sollten im Kulturkampf der kommenden Jahre Bundesgenossen werden.“

Glücklicherweise ist dieses Evangelium noch immer Teil des Wortes Gottes. Noch immer können wir es lesen und uns damit gegen die Listen des Teufels wappnen.

Obwohl Johannes nirgends seinen Namen nennt, spricht er doch über sich, und zwar als den Jünger, „den Jesus liebte“, das bedeutet, dass er vom Herrn geliebt wurde (Joh 13,23; Joh 19,26; Joh 20,2; Joh 21,7; 20).

Das Wort

Johannes beginnt sein Evangelium damit, dass er den Herrn Jesus als „das Wort“, den Logos, vorstellt. Das bedeutet: So wie Worte Gedanken ausdrücken, ist Er der vollkommene Ausdruck dessen, wer Gott ist. Darum finden wir hier kein Geschlechtsregister von Ihm wie in Matthäus (wo Er als der König vorgestellt wird) und in Lukas (wo gezeigt wird, dass Er auch als Mensch der Sohn Gottes ist). Wie bei Johannes, so finden wir auch bei Markus kein Geschlechtsregister von Ihm; hier ist der Grund, dass für einen Diener seine Abstammung nicht von Bedeutung ist. Im Johannesevangelium ist ein Geschlechtsregister einfach unvorstellbar. Wie sollte das bei dem ewigen Wort, das ist der ewige Sohn, auch möglich sein?

Johannes stellt zunächst die ewige Existenz des Wortes fest. Die Worte „Im Anfang“, weisen auf alles hin, was einen Anfang hat, um dann festzustellen, dass das Wort war. Das reicht daher auch noch weiter zurück als die ersten Worte der Bibel, wo wir lesen: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1Mo 1,1). Wie weit wir auch immer zurückdenken können, an welchen Anfang auch immer, stets sehen wir, dass das Wort schon da war, dass es bereits bestand. Das Wort selbst ist ohne Anfang. Es ist ewig. Zweitens sagt Johannes, dass das Wort „bei Gott“ war. Das zeigt deutlich, dass das Wort eine Person ist, dass das Wort eine persönliche Existenz hatte und hat. Drittens erwähnt Johannes, dass das Wort auch selbst Gott war.

Diese drei Kennzeichen oder Wesensmerkmale des Wortes bilden den Ausgangspunkt seines Evangeliums. Damit man die Beschreibung des Sohnes in diesem Evangelium verstehen kann, muss man diese drei Kennzeichen ohne zu zweifeln im Glauben erkennen und annehmen. Johannes beschreibt Ihn in seinem Evangelium als den ewigen Sohn, der selbst wahrhaftiger Gott ist. Um die drei Kennzeichen zu betonen, sagt Johannes es noch einmal ganz unmissverständlich: „Dieses war im Anfang bei Gott“, bei Gott als dem Ewigen. Das Wort war und ist als Person genauso ewig wie Gott.

Der Schöpfer und das Licht der Menschen

Das ewige Wort, das also selbst ohne Anfang ist (es war), hat allen Dingen einen Anfang gegeben. Hier kommen wir zu 1. Mose 1 (1Mo 1,1). Das Wort selbst ist nicht geworden, sondern ist der Ursprung von allem (Kol 1,15; 16; Heb 1,2; 10). Alle Dinge haben einen Anfang („alles wurde“), und diesen Anfang verdanken sie Ihm, der das Wort ist.

Um jedem Versuch vorzubeugen, diese Tatsache zu leugnen, wiederholt Johannes im zweiten Teil von Joh 1,3 den ersten Teil, doch nun, indem er das Gegenteil der Tatsache verneint. Es ist die Torheit der Evolutionslehre – der fälschlich so genannten Kenntnis (1Tim 6,20) –, den Ursprung aller Dinge ohne Ihn erklären zu wollen. Doch die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes (Ps 19,2), und seine ewige Kraft und seine Göttlichkeit können in dem Gemachten wahrgenommen werden (Röm 1,19; 20).

Hier sehen wir den ganzen Unterschied zwischen allem, was geworden ist, und dem Herrn Jesus. Wenn etwas geworden oder gemacht ist, dann ist es nicht das Wort, denn alles, was geworden ist, ist durch das Wort gemacht.

Das bedeutet nicht, Er habe auch das Böse geschaffen. Gott ist gut, und alles, was aus Ihm hervorkommt, hat diesen Charakter. In Ihm ist gar keine Finsternis (1Joh 1,5). Aus Ihm kann nichts hervorkommen, was im Widerspruch zu seinem Wesen steht. Wer unterstellt, Gott habe auch das Böse geschaffen, schränkt seine Güte ein. Er hat zwar Wesen erschaffen, Engel und Menschen, die in der Lage waren und sind, Böses zu tun, doch Er hat das Böse selbst nicht geschaffen.

Die ganze Schöpfung ist durch Ihn geworden, doch in Ihm war Leben. Er ist die Quelle es Lebens. Er hat das Leben nicht von irgendwoher bekommen, sondern es kommt aus Ihm als dem Ursprung hervor. Dadurch steht Er in Verbindung mit einem besonderen Teil seiner Schöpfung: dem Menschen (Heb 2,16; Spr 8,31; Lk 2,14).

Alle Worte, die Johannes unter der Leitung des Heiligen Geistes gebraucht, sind äußerst kurz und einfach und besitzen doch göttliche Fülle und Bedeutung. Sie sind wie das Schwert der Cherubim, die den Baum des Lebens bewachen (1Mo 3,24). Das Schwert dreht sich nach allen Seiten hin, um Ihn, so wie Er ist, in unserem Geist unversehrt zu bewahren.

Das Leben, das Er offenbart, ist zugleich Licht für den Menschen. In diesem Licht wandelt der Gläubige. Das Licht macht alles offenbar. Dadurch, dass der Mensch in das Licht tritt, kann er Leben bekommen. Wenn ein Mensch Licht hat, hat er es allein im Wort, das das Leben ist.

Als das Leben, das der Herr Jesus ist, auf der Erde offenbart wurde, schien das Licht in der Finsternis. Als Gott im Anfang das Licht in der Finsternis schuf und das Licht in der Finsternis leuchtete, wich die Finsternis (1Mo 1,3). Doch als das Leben offenbart wurde und das Licht schien, wich die Finsternis nicht. Es gab für die Menschen kein anderes Licht als „das Leben“. Gott bewohnt ein unzugängliches Licht, das kein Mensch gesehen hat noch sehen kann (1Tim 6,16), doch in dem Wort scheint das Licht in der Finsternis. Es scheint – nicht: „es schien“ –, aber die Finsternis hat es nicht erfasst, das heißt, dass es eine vollendete Tatsache ist: es ist unveränderlich.

Zusammengefasst haben wir in den Joh 1,1-5 das Zeugnis des Geistes über das Wort. Wir sehen es zunächst in Beziehung zu Gott, dann in Beziehung zur Schöpfung und schließlich in Beziehung zum Menschen.

Ein Zeugnis von dem Licht

In seiner Güte sendet Gott jemanden, um die Aufmerksamkeit auf das Licht zu lenken. Das tut Er durch Johannes. Dass ein Zeugnis kommen muss, um von dem Licht zu zeugen, zeigt auch, in welch völliger Dunkelheit und Blindheit die Menschen lebten. Wenn es dunkel ist und Licht aufleuchtet, dann sehen es alle, die offene Augen haben.

Das Licht braucht kein Zeugnis. Es ist da und wird gesehen. Doch für Menschen, die geistlich in der Finsternis sind, ist es erforderlich, dass sie auf die Anwesenheit des Lichtes hingewiesen werden. Johannes wird mit dem Ziel gesandt, dass er von dem Licht zeugt, damit Menschen glauben. Das Zeugnis richtet sich an „alle“, nicht nur an Israel. Es geht um den persönlichen Glauben an den Sohn. Wenn jemand keinen Glauben hat, sieht er das Licht nicht, auch wenn es noch so hell scheint.

Johannes ist nur ein Werkzeug. Er richtet die Aufmerksamkeit nicht auf sich selbst, sondern auf den Herrn Jesus, das Licht. Wie gesagt ist das Licht nicht auf Israel beschränkt, sondern kommt „in die Welt“, so wie die Sonne nicht nur für ein bestimmtes Volk scheint. Es kommt in die Welt, aber es erleuchtet jeden einzelnen Menschen. Christus stellt jeden Menschen persönlich in das Licht. Er macht jeden Menschen in dem, was er ist, offenbar, seien es nun Petrus oder Herodes, Nathanael oder Kajaphas.

Das Aufnehmen des Wortes

Als der Herr Jesus in die Welt kam, trat Er in seine eigene Schöpfung ein. Aber die Welt kannte ihren Schöpfer von Anfang an nicht, so sehr war sie durch die Sünde von Ihm entfremdet. In der Welt befand sich eine besondere Gruppe von Menschen, in deren Mitte Er sich aufhalten wollte. Das war sein eigenes Volk, Israel. Sie nahmen Ihn jedoch nicht an. Hier heißt es nicht wie bei der Welt, dass sie Ihn nicht kannten. Dass die Seinen Ihn nicht annahmen, bedeutet, dass sie Ihn verwarfen, und nicht, dass sie Ihn aus Unkenntnis oder Unwissenheit nicht annahmen.

Aber dann sehen wir, dass eine völlig neue Gruppe von Menschen gebildet wird, die aus denen besteht, die Ihn wohl aufgenommen haben. Nachdem die Welt Ihn nicht kennt und die Seinen Ihn nicht annehmen, wird der Weg für die Offenbarung von etwas Neuem geöffnet. Aus der Welt werden Menschen zu einer neuen und bis dahin unbekannten Beziehung zu Gott abgesondert. Sie sind nicht besser oder weniger schlecht als andere. Der große Unterschied besteht darin, dass die, welche die neue Gruppe bilden, aus Gott geboren sind. Sie haben sich im Licht des Wortes gesehen und verurteilt und haben Ihn aufgenommen.

Zugleich hat Gott neues Leben in ihnen gewirkt. Nur denen, die Ihn aufnahmen, gab Er das Recht, in die Stellung von Kindern zu kommen. Das ist nicht nur eine äußere Ehrenposition, sondern die wirkliche Gabe des Lebens und eine echte Lebensbeziehung. Sie sind aus Gott geboren und besitzen dadurch die Natur Gottes und sind somit Kinder Gottes. Der Herr Jesus wird übrigens niemals „Kind Gottes“ genannt. Er ist der einzigartige, ewige Sohn, wobei Er auch als Mensch der Sohn Gottes ist (Lk 1,35). Dieses große Vorrecht, ein Kind Gottes zu werden, gilt für jeden, der an seinem Namen glaubt. Sein Name ist das Fundament des Glaubens, und sein Name ist der Inhalt des Wortes, in dem alles, was Gott ist, zum Ausdruck gekommen ist.

Diese neue Beziehung ist nicht auf irgendetwas gegründet, was aus dem Menschen ist. Jede menschliche Quelle ist ausgeschlossen. Nicht aus Geblüt bedeutet, dass niemand durch Familienbeziehungen, durch natürliche Verwandtschaft, ein Kind Gottes wird. Niemand wird ein Kind Gottes, weil seine Eltern es auch sind. Noch aus dem Willen des Fleisches bedeutet, dass diese Beziehung auch nicht durch eigene Anstrengung erlangt werden kann. Noch aus dem Willen des Mannes bedeutet, dass sie auch nicht durch die Bemühung anderer Menschen zu erlangen ist, als könnte ein Mensch sie einem anderen beispielsweise durch eine Taufhandlung vermitteln. Jemand wird ausschließlich dadurch ein Kind Gottes, dass er aus Gott geboren wird.

Das neue Leben ist das Leben Gottes, und Gott teilt es mit, Er gibt es. Er erweckt ein neues Geschlecht. Dieses neue Geschlecht besteht aus gewöhnlichen Menschen, und das bleiben sie auch, aber sie sind geistlich von neuem geboren. Sie sind wahrhaftig aus Gott geboren und haben dadurch an der göttlichen Natur teilbekommen, denn ihr neues Leben ist das Leben Gottes (2Pet 1,4).

Das Wort wurde Fleisch

Die Joh 1,1; 2 beschreiben, was Er ewig war, Joh 1,14 sagt, was Er in der Zeit wurde. Er wurde Mensch und wohnte unter uns. Das Wort „wohnen“ ist eigentlich „zelten“, „in einem Zelt wohnen“. Der ewige Sohn wurde Fleisch, wurde Mensch, um so unter Menschen verweilen zu können, so wie Gott früher in der Stiftshütte bei seinem Volk wohnte und mit ihnen umherzog (2Mo 25,8).

Durch seine Menschwerdung konnte Er uns alle seine Herrlichkeiten, die in den vorhergehenden Versen geschildert werden, zeigen. Seine Herrlichkeit wird von all denen angeschaut, die Ihn „aufnahmen“ (Joh 1,12). Diese Herrlichkeit, die wir anschauen, ist nicht die vom Berg Sinai, von Majestät und gerechten Forderungen. Es ist eine Herrlichkeit, die zu der innigen Beziehung der Liebe passt, die zwischen dem Vater und Ihm, dem eingeborenen Sohn des Vaters, besteht.

Es ist ein großes Wunder, diese Herrlichkeit anschauen zu dürfen. Wenn wir durch Gnade geöffnete Augen dafür haben, sehen wir, wie Er voller Gnade und Wahrheit ist. Gnade ist Liebe inmitten des Bösen, während sie zugleich darüber erhaben ist. In Christus hat sich die Gnade mitten in das Böse begeben, um das Böse durch das Gute zu überwinden.

Gnade und Wahrheit sind unlösbar miteinander verbunden. Gnade ohne Wahrheit ist keine Gnade. Gnade ist mit Wahrheit gepaart und macht es für einen Menschen möglich, die Wahrheit zu ertragen, wenn er sich dadurch als Sünder erkennt und verurteilt wird. Deshalb ist die Reihenfolge: zuerst Gnade, dann Wahrheit.

Gott hat nicht aufgehört, durch Johannes auch ein Zeugnis über seinen Sohn als den zu geben, der voller Gnade und Wahrheit ist. In jedem Abschnitt dieses Kapitels haben wir ein Zeugnis des Johannes: zunächst in Bezug auf das Licht (Joh 1,6-9), hier im Blick auf sein Zeugnis gegenüber der Welt und danach in Bezug auf sein Auftreten in der Welt (Joh 1,19-36). Johannes, der Größte unter den von Frauen Geborenen (Lk 7,28), zeugt auf jeder Ebene von Ihm. Der Herr Jesus ist Gott, auch wenn er später als Johannes auftritt. Er ist der Geber, der allen ohne Unterschied gibt, und das aus einer unerschöpflichen Fülle. Es gibt keinen Segen außer Ihm, und folglich gibt es keinen Mangel bei denen, die Ihn besitzen.

Wir haben nicht Wahrheit um Wahrheit empfangen (die Wahrheit ist einfach und stellt alles an seinen Platz), sondern was wir nötig hatten: Gnade um Gnade, eine Gnade nach der anderen, Gottes Gunst im Überfluss. Wir dürfen hierbei an eine Anhäufung göttlicher Segnungen denken, die Früchte seiner Liebe sind.

Diese Dinge stehen in völligem Gegensatz zum Gesetz. Das Gesetz wurde durch Mose gegeben. Mose ist der Mittler, durch den Gott das Gesetz gegeben hat. Das Gesetz sagt zwar, was der Mensch sein sollte, aber nicht, was der Mensch ist. Die Wahrheit tut gerade das. Das Gesetz kann den Menschen nicht befreien und Gott nicht offenbaren. Durch das Gesetz bekommt man kein Leben und auch keine Offenbarungen. Das liegt daran, dass die Sünde bereits durch Adam in die Welt gekommen ist und das Gesetz durch das Fleisch kraftlos geworden ist. Das liegt nicht am Gesetz, sondern am Menschen, der jeden Segen Gottes verloren hat.

Nun aber ist durch Jesus Christus eine vollkommene und herrliche Veränderung eingetreten. Hier wird schließlich der Name dessen genannt, in dem alle genannten Herrlichkeiten sind und der ihr Ausdruck ist: Jesus Christus.

Gnade und Wahrheit bilden eine Einheit. Darum steht hier, dass die Gnade und die Wahrheit durch Ihn geworden ist (nicht: sind). Gnade und Wahrheit, die völlig in Ihm ist (Joh 1,14), hat in Ihm ihren vollkommenen Ausdruck bekommen. Hier steht nicht, dass Gnade und Wahrheit durch Ihn gegeben ist, so wie das Gesetz durch Mose gegeben wurde. Der Herr Jesus ist nicht ein Mittler, jemand, durch den Gott Gnade und Wahrheit gibt. Er hat aus seiner eigenen Herrlichkeit heraus Gnade und Wahrheit gezeigt.

Wenn Er nicht gekommen wäre, hätten wir niemals Gnade und Wahrheit kennengelernt. Er zeigt verlorenen Menschen die Gnade Gottes und die Wahrheit Gottes, damit sie Teil bekämen an allem, was Gott in seinem Herzen hat und was Er in Christus offenbart hat. Wenn Christus nicht gekommen wäre, hätten wir lediglich einen begrenzten Eindruck von Gott bekommen können, sei es durch die Natur oder sei es durch das Gesetz. Beides hätte uns auf Abstand gehalten und schließlich verurteilt, wenn der Sohn nicht gekommen wäre.

Nachdem Er nun gekommen ist, hat Er Gott auf eine alles überragende Weise offenbart. Er hat Gott als Vater offenbart. Er hat das aus der engen Beziehung herausgetan, die Er selbst besaß und die Er niemals verlassen hat. Das Wort „Schoß“ bezeichnet engste Beziehung und innigste Vertrautheit. Das ist der Ort, wo der Sohn ewig ist, den Er niemals verlassen hat und wo Er auch war, als Er als Mensch auf der Erde war.

Darum konnte und kann Er und nur Er allein Gott kundmachen. Es musste nicht nur der volle Segen kundgemacht werden, der durch Jesus Christus gekommen ist und der durch seine Erlösung der Besitz aller ist, die an der Erlösung teilhaben, auch Gott selbst musste bekanntgemacht werden. Das hat Jesus Christus getan, der Offenbarer und die Offenbarung Gottes und aller Dinge, weil Er die Wahrheit ist. Er konnte das tun, weil Er der Sohn im Schoß des Vaters ist.

Johannes zeugt davon, wer er nicht ist

Das Zeugnis des Johannes war kraftvoll. Es brachte Menschen in Bewegung. Durch Johannes bewirkte Gott in den Gedanken der Menschen eine allgemeine Erwartung des Messias. Johannes war der unabhängige Zeuge, den Gott im richtigen Augenblick sandte, damit er seinen Sohn bezeugte.

Die Juden sind in diesem Evangelium von Anfang an Widersacher des Herrn und dadurch auch des Johannes. Aus Joh 1,24 geht hervor, dass es dabei um Pharisäer geht. Sie senden Priester und Leviten – Menschen, die im Tempel Dienst tun, also sehr religiöse Menschen – zu Johannes, um ihn zu fragen, wer er sei. Es ist keine aufrichtige Frage, sondern eine Frage, die sie stellen, da sie um ihre Stellung fürchten.

Johannes erkennt den Hintergrund ihrer Frage. Sie wollen wissen, ob er der Christus ist. Er spricht deshalb auch nicht über sich, sondern über Christus, und sagt, dass er es nicht ist. Wenn sie seine Herkunft gekannt hätten, hätten sie gewusst, dass er niemals der Messias sein konnte. Er war ja vom Stamm Levi, während der Christus aus Juda kommen musste.

Die Führer sind teils zufrieden, doch noch nicht ganz. Glücklicherweise ist er nicht der Christus, doch wer ist er dann? Sie fragen ihn, ob er denn Elia sei. Darauf ist seine deutliche Antwort, dass er es nicht ist.

Seine Verneinung scheint dem zu widersprechen, was der Herr in Matthäus 17 über ihn sagt (Mt 17,11; 12). Den Schlüssel dazu finden wir in Matthäus 11. Dort sagt der Herr von Johannes dem Täufer: „Und wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elia, der kommen soll“ (Mt 11,14). Also kam Elia in Johannes, aber nur für diejenigen, die annehmen würden, weshalb er kam. Wo die Augen für den Messias blind sind, sind sie es auch für seinen Vorläufer. Darum sagt Johannes zu diesen Menschen, dass er es nicht ist, weil sie den Herrn Jesus nicht annehmen wollen.

Dann bleibt für sie, sofern sie sehen können, noch eine Möglichkeit, nämlich dass Johannes der angekündigte Prophet ist (5Mo 18,15-19). Die Antworten des Johannes werden immer kürzer. Auf die letzte Frage gibt er die kürzeste Antwort: „Nein“. Es hat keinen Sinn, seine Antwort zu erklären.

Zeugnis des Johannes über sich selbst

Sie wissen nun also, wer Johannes nicht ist, doch wer ist er dann? Das möchten sie doch gern wissen, denn – zurückkehren und sagen müssen, sie wüssten nicht, wer Johannes ist, der doch solch einen großen Einfluss auf das Volk hat, das kann nicht sein. Also fragen sie weiter, wer er denn sei. Johannes beantwortet ihre Frage mit einem Zitat aus dem Propheten Jesaja. Zweifellos kannten sie dieses Zitat, aber seine Bedeutung erfassen sie nicht.

Das Zitat zeigt, dass der Christus Jahwe ist und dass Johannes nicht mehr als eine Stimme ist. Der Evangelist Johannes betont, dass die Leute, die Johannes den Täufer befragen, von den Pharisäern abgesandt sind. Die Pharisäer sind die großen Widersacher des Herrn. Menschen, die von den Pharisäern abgesandt sind, stehen im völligen Gegensatz zu denen, die aus Gott geboren sind. „Von [o. aus] den Pharisäern“ oder „aus Gott“ – das macht den entscheidenden Unterschied in Bezug auf die Wertschätzung Christi aus.

Zeugnis über den Herrn Jesus

Die Fragesteller übergehen die Antwort des Johannes, dass er die Stimme eines Rufenden in der Wüste sei, die auf Christus hinweist. Sie beißen sich an seiner Taufe fest. Wie kann er taufen, wenn er keinerlei offiziellen Status besitzt? Dass er leugnet, er sei der Christus, ist bereits eine große Erleichterung. Dass er sagt, er sei nicht Elia, bedeutet für sie, dass er also auch nicht der Vorläufer ist, der unmittelbar dem Königreich über die Erde in Macht und Herrlichkeit vorausgeht (Mal 3,23). Und wenn er auch nicht der angekündigte Prophet ist, was bedeutet dann seine Taufe?

Ihre Frage gibt Johannes Gelegenheit, den Unterschied zwischen ihm und Christus deutlich zu machen. Er tauft mit Wasser als Symbol für Bekehrung und Sündenvergebung. Aber die Taufe, mit der er tauft, ist kein Selbstzweck. Mit seiner Taufe weist er auf den hin, der mitten unter ihnen steht, den sie jedoch nicht kennen. Johannes sagt ihnen, wie weit Christus in Herrlichkeit über ihn erhaben ist. Er hält sich nicht einmal für würdig, die Schnürsenkel des Herrn Jesus zu lösen.

Dieses Zeugnis legt Johannes in Bethanien ab, jenseits des Jordan. Das ist nicht das Bethanien, wo Lazarus und Martha und Maria wohnen, denn das liegt nahe bei Jerusalem. Bethanien bedeutet „Haus des Elends“. Dieser Ort wird hier eng mit dem Jordan und der Taufe verknüpft. Der Jordan spricht vom Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus, und die Taufe spricht von seinem Tod. Dadurch dass Bethanien und der Jordan verbunden werden, dürfen wir vielleicht daran denken, dass die Befreiung aus dem Elend, in das die Sünde einen Menschen gebracht hat, nur durch den Tod und die Auferstehung Christi möglich geworden ist. Die Pharisäer hielten sich nicht für elend und hatten daher auch kein Teil an Christus.

Das Lamm Gottes ist der Sohn Gottes

Am folgenden Tag – das ist nach seinem Zeugnis gegenüber den Priestern und Leviten über sich selbst und über Christus – sieht Johannes den Herrn Jesus zu sich kommen. Im vorangegangenen Zeugnis hat Johannes über Ihn in Verbindung mit der jüdischen Erwartung des Messias gesprochen. Doch nun legt Johannes ein Zeugnis ab, das alles übertrifft. Damit sagt er tatsächlich: „Hier ist das eine Opfer, das ewig gültig ist und nicht wiederholt zu werden braucht.“

Seine Aussage bezieht sich auf den Tod Christi mit allem, was daraus folgt. Das Werk, durch das die Sünde weggenommen wird, muss geschehen, und hier ist der, der es tun wird. Aufgrund seines Werkes als das Lamm Gottes kann das Evangelium gepredigt, können Sünden vergeben, kann sein Reich errichtet, die Schöpfung vom Fluch befreit und Israel gesegnet werden und wird es schließlich einen neuen Himmel und eine neue Erde geben. Dann wird das vollkommene Ergebnis von dem sichtbar sein, was Johannes hier vom Lamm Gottes sagt, das die Sünde der Welt wegnimmt.

Beachte, dass hier nicht steht, dass das Lamm die Sünden der Welt wegnimmt. Es geht nicht um sündige Taten, sondern um die Sünde als Macht. Der Herr Jesus ist das Lamm, das die Sünde als Macht wegnimmt. Die Juden waren durch den Opferdienst mit der Bedeutung des Lammes gut vertraut. Das Lamm wurde für das tägliche Morgen- und Abendbrandopfer und das jährliche Passah benötigt. In Christus finden alle diese Opfer ihre Erfüllung. Er nimmt die Sünde der Welt weg, so dass es eine Ewigkeit geben wird, die unmöglich durch irgendeine Sünde verdorben werden kann. In dieser Ewigkeit wird Gott alles in allem sein (1Kor 15,28).

Als Johannes auf den Herrn Jesus hinweist und von Ihm bezeugt, was Er tut, gibt er wieder Zeugnis von dessen persönlicher Würde. Er ist zeitlich gesehen nach Johannes aufgetreten, doch was seine Person betrifft, so war Er bereits vor Johannes. Er ist Gott der Sohn von Ewigkeit.

Johannes kannte Christus nicht. Gott hatte ihm seinen eigenen Dienst und sein eigenes Arbeitsfeld im Blick auf das Kommen seines Sohnes gegeben. Er musste das Volk auf dessen Kommen vorbereiten. Dazu war er gekommen und taufte mit Wasser. Er predigte über Bekehrung und Vergebung der Sünden und rief Menschen auf, sich taufen zu lassen, damit sie Ihn annähmen, wenn Er sich Israel offenbarte.

Johannes zeugt davon, wie er bei der Taufe des Herrn Jesus den Geist wie eine Taube aus dem Himmel auf Ihn herniederkommen sah. Er fügt hinzu, dass der Geist auf Ihm blieb. Der Geist kam nicht auf Ihn, um Ihn danach wieder zu verlassen. Nein, der Geist hat in diesem Menschen vollkommene Ruhe gefunden. Der Geist konnte auf Ihn herniederfahren ohne die vorherige Anwendung von Blut, wie das bei uns erforderlich ist. Das sehen wir das in den Bildern des Alten Testaments, wo zuerst das Blut angewendet wird und danach das Öl (3Mo 14,14-17).

Erneut macht Johannes deutlich, dass er Ihn nicht kannte, doch dass Gott ihm gesagt habe, woran er Ihn erkennen könne. Er wiederholt noch einmal, dass sein Dienst darin bestand, mit Wasser zu taufen. Diesen Dienst hatte er sich nicht selbst ausgedacht, sondern Gott hatte ihn damit beauftragt. Durch diesen Dienst musste er den Weg für den bereiten, der mit Heiligem Geist taufen würde.

Das weist auf den Dienst des Herrn Jesus hin, der zu nichts anderem als nur zum Segen sein würde. Einerseits nimmt er die Sünde von der Welt weg, andererseits erfüllt er die Welt durch den Heiligen Geist mit seinem Segen. In geringem Maß kann man das bei jedem sehen, der jetzt glaubt, dass der Herr Jesus für seine Sünden gestorben ist und dadurch den Heiligen Geist empfängt (Eph 1,13).

Die Tatsache, dass der Herr Jesus mit Heiligem Geist tauft, ist ein Beweis, dass Er Gott ist. Niemand kann mit dem Heiligen Geist taufen als nur Gott. Der Heilige Geist ist eine Person der Gottheit, und hier ist ein Mensch, der mit dem Heiligen Geist tauft. Daher kann dieser Mensch niemand anders sein als der Sohn Gottes.

Zu dieser Schlussfolgerung kommt Johannes nun auch. Nachdem Johannes den Heiligen Geist auf Christus hat herniederfahren sehen, kann er bezeugen, dass dieser der Sohn Gottes ist. Als der ewige Sohn ist der Herr Jesus der wahrhaftige Gott, eins mit dem Vater und dem Geist. Johannes erwähnt nicht das Zeugnis des Vaters aus dem Himmel, sondern stützt sich auf das, was Gott ihm persönlich über seinen Sohn gesagt und was er gesehen hat, als der Geist wie eine Taube auf Ihn herniederfuhr. Deshalb kann er bezeugen, „dass dieser der Sohn Gottes ist“.

Siehe, das Lamm Gottes

Nach dem Zeugnis über den Herrn als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt, steht Johannes am folgenden Tag wieder am Jordan. Zwei seiner Jünger stehen bei ihm. Dann sieht Johannes den Herrn dort umhergehen. Der Herr kommt nicht zu ihm, sondern zeigt sich dort.

Als Johannes Ihn sieht, ist er sofort voller Bewunderung für diese Person. Er sagt: „Siehe, das Lamm Gottes.“ In Joh 1,29 hatte er noch hinzugefügt, was dieses Lamm tun würde. Hier ist er ganz von dem Lamm erfüllt. Diese Person hat sein Herz völlig eingenommen. Dieses Zeugnis des Johannes aus einem Herzen, das von der Person Christi erfüllt ist, hat etwas zur Folge, was wir bei seinem vorhergehenden Zeugnis nicht sehen.

Die zwei Jünger, die bei Johannes stehen, hören ihn reden und werden durch sein Zeugnis ebenfalls von Christus angezogen. Sie gehen von Johannes fort, von der Herrlichkeit des Herrn Jesus eingenommen. Jeder Dienst für Gott ist nur dann ein guter Dienst, wenn der Diener seine Zuhörer zu Christus führt und sie von sich als dem menschlichen Diener löst. Solch ein wahrer Diener war Johannes. Seine beiden Jünger verlassen ihn und folgen dem Herrn nach.

Das Nachfolgen setzt voraus, dass wir uns nicht in der Ruhe Gottes befinden. Wir folgen dem Lamm auf der Erde nach, inmitten von Umständen, wo die Sünde noch nicht weggenommen ist (Off 14,4). Im Garten Eden, dem Paradies, wo es keine Sünde gab, war es nicht nötig, nachzufolgen. Im Himmel ist auch keine Rede mehr vom Nachfolgen. Dort, wo wir dann sind, finden wir Freude und Ruhe. Dem Lamm nachzufolgen, ist etwas, was wir nur tun können, solange wir auf der Erde sind.

Was sucht ihr?

Der Herr bemerkt, dass die beiden Jünger Ihm nachfolgen. Er wendet sich um und stellt ihnen eine Frage. Seine Frage ist nicht: „Wen sucht ihr?“, sondern: „Was sucht ihr?“ Damit fragt Er nach dem Motiv, warum sie Ihm nachfolgen. Die Antwort ist sehr schön. Sie möchten gern wissen, wo Er sich aufhält. Sie nennen Ihn „Rabbi“, ein Wort, dessen Übersetzung ‒ Lehrer ‒ der Evangelist Johannes nennt. Damit nehmen sie Ihm gegenüber den Platz von Lernenden ein. Sie wollen von Ihm, ihrem Lehrer, lernen.

Der Herr antwortet ihnen, dass sie mit Ihm kommen müssten und dann sehen würden, wo Er sich aufhält. Er nennt ihnen keine Adresse, sondern ein Kennzeichen (vgl. Lk 22,7-13; Hld 1,7; 8). Es ist ein Aufenthaltsort, wo es um Ihn geht. Sie bleiben diesen Tag bei Ihm. Johannes vermerkt sogar die Stunde des Tages, in der das stattfindet.

Es fällt auf, dass Johannes, der doch über den ewigen Sohn schreibt, der außerhalb der Zeit steht, Zeitangaben, wann der ewige Sohn etwas tut, so viel Aufmerksamkeit schenkt. Wir haben das bereits früher gesehen, als er zweimal über einen folgenden Tag spricht (Joh 1,29; 35). Das unterstreicht die Anwesenheit des Sohnes Gottes in der Welt der Menschen. Er nimmt Teil an ihren Umständen, während Er persönlich der Ewige ist.

Andreas führt Petrus zum Herrn

Andreas war ein Jünger Johannes’ des Täufers, der durch das Zeugnis des Johannes dem Herrn nachgefolgt ist. Der Evangelist erwähnt zur näheren Beschreibung des Andreas, dass er ein Bruder von Simon Petrus ist. Andreas ist so vom Herrn erfüllt, dass er es nicht für sich behalten kann. Er muss mit anderen darüber sprechen. Es kennzeichnet im Allgemeinen einen Menschen, der Christus gefunden hat und Ihm nachfolgt, dass er andere sucht, um mit ihnen über Ihn zu sprechen.

Andreas beginnt zu Hause damit. Der erste, den er trifft, ist sein eigener Bruder Simon. Das steht hier ausdrücklich: seinen eigenen Bruder. Wenn jemand den Herrn Jesus als seinen Heiland kennengelernt hat, wird er zuerst dafür sorgen, dass seine eigene Familie Ihn ebenfalls kennenlernt.

Andreas gibt ein kurzes, aber kräftiges Zeugnis über seinen „Fund“. Es gibt für ihn keinerlei Zweifel; deshalb bezeugt er mit Bestimmtheit, dass er den Messias gefunden hat. Johannes fügt wieder die Übersetzung hinzu. Christus ist die griechische Übersetzung des hebräischen Messias. Beide Namen bedeuten „Gesalbter“.

Über den Herrn Jesus als Messias wird hauptsächlich in Verbindung mit Israel gesprochen. Als Christus steht Er seit seiner Himmelfahrt vor allem in Verbindung mit den Ratschlüssen Gottes für die Gemeinde (Apg 2,36; Eph 1,3). Das sehen wir beispielsweise deutlich im ersten Kapitel des Epheserbriefes, wo wir die höchsten Segnungen finden, die das Teil des Gläubigen sind, der zur Gemeinde gehört. Mehrere Male lesen wir dort den Ausdruck „in Christus“; dadurch wird deutlich gemacht, wie die Segnungen das Teil des Gläubigen geworden sind.

Das Zeugnis des Andreas ist nicht nur ein persönliches Zeugnis. Er sagt: „Wir haben den Messias gefunden.“ Es ist ein Zeugnis, das auch von anderen bestätigt wird und dadurch an Kraft zunimmt. Andreas ist ein echter Evangelist. Er zeugt von Christus und führt seinen Bruder zu Ihm. Der Herr Jesus ist der Mittelpunkt, um den Menschen versammelt werden. Petrus wird nicht durch ein Wunder oder besonders beeindruckende und überzeugende Rhetorik für den Herrn gewonnen, sondern durch das einfache und echte Zeugnis seines Bruders.

Als Petrus zu dem Herrn kommt, blickt Er ihn an. Mit seinen alles durchdringenden Augen durchschaut Er Petrus vollständig. Er weiß, wer Petrus ist, und kennt sowohl seine Herkunft als auch seine Zukunft. Er weiß, dass er Simon heißt und wie sein Vater heißt. Dann gibt der Herr ihm einen neuen Namen. Das zeigt seine Autorität über Simon. Namen geben oder verändern können nur Personen, die über anderen stehen (vgl. Dan 1,7).

Der Herr nennt Simon „Kephas“, und wieder gibt Johannes die Übersetzung. Kephas ist das aramäische Wort für „Stein“. Im Weiteren wird Johannes ihn Petrus nennen, das ist das griechische Wort für „Stein“. Dieser Name, den der Herr ihm gibt, ist ein Hinweis auf den Dienst des Petrus. Petrus wird ein Stein in dem Gebäude sein, das Gott zu seiner eigenen Ehre und zur Ehre seines Sohnes bauen würde. Dieses Gebäude ist die Gemeinde. In seinem ersten Brief spricht Petrus von Gläubigen als von lebendigen Steinen, die zu einem geistlichen Haus aufgebaut werden (1Pet 2,4; 5).

Der Herr Jesus findet Philippus

Wieder einen Tag später will der Herr nach Galiläa aufbrechen. Dann findet Er Philippus. Hier geht die Initiative vom Herrn aus. Andreas konnte bezeugen, dass sie Ihn gefunden hatten, hier findet der Herr jemanden. Er sucht Menschen, die Ihm folgen wollen. Das sagt Er nun auch zu Philippus, der sein Jünger wird. Johannes erwähnt noch, dass Philippus aus Bethsaida war, derselben Stadt, aus der auch Andreas und Petrus kamen.

Philippus bringt Nathanael zum Herrn

Auch Philippus kann über seinen „Fund“ nicht schweigen. Er findet Nathanael, dem er bezeugt, dass er „Jesus, den Sohn des Joseph, den von Nazareth“ gefunden hat. Auch er spricht in der Mehrzahl: „Wir haben den gefunden …“ Er untermauert sein Zeugnis und dessen Zuverlässigkeit, indem er auf das hinweist, was Mose und auch die Propheten über Ihn geschrieben haben (5Mo 18,18; Jes 7,14; Jes 9,5; Lk 24,27). Philippus kennt die Schriften, glaubt ihnen und sieht sie deshalb als erfüllt, als er Christus begegnet. Deshalb hat er auch keinen Zweifel, dass dieser niedrige Mensch aus Nazareth, der als Jesus, der Sohn des Joseph bekannt ist, der verheißene Messias ist.

Das Zeugnis des Philippus wird nicht sofort angenommen. Nathanael sagt, dass aus Nazareth nichts Gutes kommen könne und dass deshalb sicher auch der Messias nicht von dort kommen könne. Philippus trifft bei Nathanael auf Vorurteile. Hätte er gesagt, er habe Christus, den Sohn Davids, aus Bethlehem gefunden, wäre die Reaktion Nathanaels anders ausgefallen. So erwartete Nathanael Ihn. Vorurteile sind kein geringes Hindernis. Wir müssen lernen, dass keiner ohne weiteres für den Herrn gewonnen wird. Wir sollten uns auch durch Vorurteile, die andere gegen Ihn haben, nicht entmutigen lassen. Philippus argumentiert nicht, sondern schlägt Nathanael vor, mitzukommen und Ihn selbst zu sehen.

Dann geht Nathanael mit, um zu sehen, wer Er wohl sein könne. Doch dann entdeckt er, dass der Herr ihn bereits früher gesehen hat. Überall in diesem Evangelium ist der Herr Jesus Gott. Er sieht, worüber Nathanael nachdenkt. So wie viele andere wird auch Nathanael von der Predigt des Johannes beeindruckt gewesen sein. Sicher wird ihn das zum Nachdenken darüber gebracht haben, dass das Kommen des Messias wohl sehr nahe sein könnte.

Der Herr kennt Nathanael als einen aufrichtigen Juden, der sein Kommen erwartete. Deshalb kann Er ihn so ansprechen. Nathanael ist darüber erstaunt. Seine Frage: „Woher kennst du mich?“, macht deutlich, dass er noch nicht weiß, wer ihm da gegenübersteht. Der Herr überzeugt Nathanael dadurch, dass Er ihm sagt, Er habe ihn bereits gesehen, ehe Philippus ihn rief, und Er habe auch die Stelle gesehen, wo er war. Während Nathanael dachte, niemand sähe ihn, sah der Herr ihn dort unter dem Feigenbaum. Und als er dort war, sah der Herr auch die Überlegungen seines Herzens.

Es ist nicht ohne Bedeutung, dass der Herr den Feigenbaum erwähnt. Der Feigenbaum ist ein Symbol für Israel. In Nathanael können wir daher auch ein Bild des gläubigen Überrestes sehen, der für Christus das wahre Israel ist. Darin ist kein Trug, sondern das wahre Israel kennt Ihn und erwartet Ihn. Das wahre Israel weist die Kennzeichen des Messias auf, von dem es heißt, dass „kein Trug in seinem Mund gewesen ist“ (Jes 53,9).

Nach diesen Worten ist Nathanael in seinem Herz und Gewissen überzeugt, dass Er der Sohn Gottes ist, Gottes auserwählter König. Nach dem anfänglichen Zögern, als Philippus ihn rief, folgt nun ein spontanes Bekenntnis. Das Bekenntnis Nathanaels ist das Bekenntnis jedes gottesfürchtigen Juden. Es ist das Bekenntnis, dass der Herr Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes als Mensch auf der Erde, jedoch beschränkt auf Israel.

Größere Dinge

Der Herr gibt Nathanael zu verstehen, dass sein Glaube sich auf seine jüdischen Erwartungen gründet. Diese Erwartungen finden ihre Grundlage in Psalm 2, wo die Rede von Gottes König für sein Volk ist (Ps 2,6; 7). Das ist bereits ein großer Segen. Doch der Segen wird noch größer werden. Der Herr sagt ihm, dass er größere Dinge sehen wird als die, die mit Israel in Verbindung stehen. Mit einem zweifachen „Wahrlich“ und einem ausdrücklichen „Ich sage euch“ sagt Christus, was diese größeren Dinge sind, die Nathanael sehen wird. Er wird Dinge sehen, die in Verbindung mit einem Himmel stehen, der über Ihm als dem „Sohn des Menschen“ geöffnet ist. Diese Dinge finden wir in Psalm 8, wo wir sehen, dass Gott den Sohn des Menschen über alle Werke seiner Hände gestellt hat.

Der Titel „Sohn des Menschen“ ist der Titel des Herrn Jesus, der einerseits auf seine Verwerfung Bezug hat (siehe Mt 8,20, wo dieser Titel zum ersten Mal im Neuen Testament vorkommt), und andererseits auf seine zukünftige Herrlichkeit. Diese Herrlichkeit ist nicht nur mit Israel verbunden, sondern mit seiner Herrschaft über die gesamte Schöpfung (Heb 2,5-8).

Der Herr stellt sich Nathanael hier als der Sohn des Menschen auf der Erde vor. Wir sehen nämlich, dass die Engel Gottes zunächst hinaufsteigen, das bedeutet, dass Er sie von der Erde aus zum Himmel sendet, und danach steigen sie aus Himmel wieder hernieder. Der Himmel ist geöffnet, denn überall dort, wo Christus ist, ist der Himmel geöffnet. Der Himmel öffnet sich seinetwegen (Mt 3,16; Mk 1,10; Lk 3,21; Apg 7,56; Off 19,11). Nachdem Er nun im Himmel ist, ist dieser für den Gläubigen geöffnet.

Die Worte des Herrn an Nathanael bedeuten, dass er die Dinge, die für andere erst in Zukunft sichtbare Wirklichkeit sein werden, damals schon im Glauben sah. Das kann Er sagen, weil das mit seiner Person in Verbindung steht. In Ihm wird sich alles erfüllen. Er, der ewige Sohn, wird im Friedensreich als der Sohn des Menschen auf der Erde der Mittelpunkt des Weltalls sein (Eph 1,10). Der Glaube sieht das schon jetzt. Die Erde wird mit dem Himmel vereinigt sein, der Sohn des Menschen wird regieren, und seine Diener, die Engel, werden die Verbindung zwischen Himmel und Erde aufrechterhalten (vgl. 1Mo 28,12).

© 2023 Autor G. de Koning

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