Judges 20 Kingcomments Bibelstudien EinleitungIn diesem Kapitel treten wichtige Dinge in den Vordergrund, die auch auf die Ausübung von Zucht in der Gemeinde anzuwenden sind. Daneben wird deutlich, dass diese Ausübung der Zucht etwas ist, womit die ganze Gemeinde zu tun hat. Das ganze Volk ist dabei einbezogen. Der Weg, den Israel geht, um die Sünde aus seiner Mitte wegzutun, und was Gott sie auf diesem Weg lehrt, stellen eine klare Illustration für das Handeln einer örtlichen Gemeinde, und die Gesinnung, in der das geschehen muss, dar, wenn aus ihrer Mitte Sünde weggetan werden muss. Jede Sünde, die in einer örtlichen Gemeinde offenbar wird und über die Zucht ausgeübt werden muss, ist zugleich eine Sache, die die Gemeinde zur Besinnung über ihre Ursache bringen muss. Sie wird ihren eigenen Zustand in Gottes Licht untersuchen müssen und das Verlangen haben müssen, von Ihm zu hören, wie es kommt, dass diese Sünde stattfinden konnte. Das Volk Gottes wie ein MannDas Erste, was der Bericht der Gräueltat bewirkt, ist, dass das ganze Volk wie ein Mann vor dem HERRN zusammenkommt. Auch wenn weiter noch einiges gelernt werden muss, ist diese Tatsache an sich eine Reaktion, die zu loben ist. Es ist die Zeit, in der ein jeder tat, was recht ist in seinen Augen. Charakteristisch für solch eine Zeit ist, dass man aneinander vorbei lebt. Jedes Gefühl der Zusammengehörigkeit ist verschwunden. In dieser Zeit des Individualismus gebraucht Gott die begangene Sünde, um wieder Einheit unter seinem Volk zu bewirken. Das Zweite ist, dass sie die richtige Stellung einnehmen, vor dem HERRN zu Mizpa. Aber eine richtige Stellung ist noch keine Garantie für eine richtige Gesinnung. Man kann bestimmte Bedingungen erfüllt haben, wie die der Einstimmigkeit und einer richtigen Stellung, aber da muss noch etwas hinzukommen, und das ist die richtige Gesinnung. Es ist also eine gute Sache, wenn das Volk wie ein Mann zusammenkommt (vgl. Ri 20,8; 11), um das Böse zu bestrafen; es ist eine gute Sache, dass es Eifer dabei zeigt, sich vom Bösen zu reinigen; es ist eine gute Sache, dass sie die richtige Stellung einnehmen. Aber das Volk ist noch lange nicht in der richtigen Gesinnung, um Zucht auszuüben. Sie handeln bislang noch lediglich aus einer fleischlichen Entrüstung und auf eigene Initiative. Erst in Ri 20,18 fragen sie Gott, doch dann haben sie ihre eigenen Pläne schon lange gemacht. Es ist das Böse, das sie zusammenbringt. Aber niemals wird etwas, das böse ist, als ein Band dienen können, um damit Gottes Volk beisammenzuhalten. Und wenn das Einnehmen einer richtigen Position nicht zu einer dazu passenden Haltung und dem dazugehörigen Verhalten führt, ist das auch keine Garantie für das richtige Handeln in Zuchtfragen. Diese Dinge müssen miteinander einhergehen. Es kann so sein, dass Gläubige in der Christenheit die richtige Position einnehmen. Dabei können wir denken an das Zusammenkommen der Gemeinde um den Herrn Jesus, mit Ihm als Mittelpunkt, getrennt von allerlei menschlichen Einrichtungen oder menschlichem Gruppendenken. Doch wenn das nicht aus Liebe zu Christus und mit einem Bewusstsein der Gnade und in einer Haltung der Niedrigkeit geschieht, gibt diese Position keine einzige Garantie für den Segen und die Gegenwart des Herrn Jesus. Wenn Einheit besteht, treten auch die Führer zusammen. Ein wichtiger Aspekt beim Funktionieren der Gemeinde als eine Einheit ist, dass dort wieder auf eine biblische Weise geführt wird. Wir haben in Richter 5 Debora über die Führer singen hören, die die Führung wieder an sich nahmen (Ri 5,2). Wenn es keinen König in Israel gibt, und somit keine Führung vorhanden ist, geht das auch auf Kosten des Zusammengehörigkeitsgefühls. Der Bericht des LevitenAuf eine entsprechende Frage hin erstattet der Levit in groben Zügen Bericht von den Ereignissen in Gibea. Er lässt nichts von seiner eigenen Untreue und dem verkehrten Weg, den er ging, hören. Ebenso verschweigt er, dass er selbst seine Frau in die Hände dieser Wollüstigen gegeben hat, und er stellt es so dar, als ob er in Lebensgefahr gewesen wäre. Er erzählt seine Geschichte auf eine solche Weise, dass er selbst so gut wie möglich dabei wegkommt. Dass er den Leichnam seiner Frau in Stücke schnitt und die Teile in ganz Israel verschickte, begründet er mit dem Hinweis auf die schändliche Tat und die Torheit, die hiermit in Israel begangen worden ist. Er schließt mit dem Hinweis darauf, dass sie als Israeliten wissen sollten, was sie zu tun hätten. Seine eigene Verantwortlichkeit als Levit, der das Gesetz lehren muss, erwähnt er mit keinem Wort. Die ReaktionDer Mann hat mit seiner Geschichte noch einmal deutlich unterstrichen, wovon das Volk bereits überzeugt war: Es muss gegen die Männer vorgegangen werden, die diese üble Tat begangen haben. Sie verpflichten sich selbst dazu, nicht eher nach Hause zu gehen, als bis sie mit Gibea abgerechnet haben. Das Einzige, das sie noch kurz tun müssen, ist das Los zu werfen, um zu erfahren, in welcher Reihenfolge sie in den Kampf ziehen sollen. Zehn Prozent der Männer werden beiseitegestellt, um während des Feldzugs für Proviant zu sorgen. Bei allem, was unternommen wird, geht es immer noch um die Verunehrung, die Israel angetan worden ist, und nicht um die Verunehrung, die Gott angetan worden ist. Die Unterhaltung mit GibeaZum dritten Mal lesen wir, dass Israel „wie ein Mann“ – nach Ri 20,1 und Ri 20,8 – miteinander verbunden ist. Die Botschaft, die sie durch das ganze Gebiet des Stammes Benjamin, worin Gibea liegt, verbreiten lassen, ist kurz und bündig. Der Text dieser Botschaft deutet darauf hin, dass sie noch nicht in der richtigen Gesinnung sind, um gegen das Böse aufzutreten. In den vorausgegangenen Versen haben wir gesehen, dass die Bereitschaft zum Handeln aus menschlicher Entrüstung hervorgeht. Dadurch denken sie jetzt nicht daran, zuerst den HERRN zu fragen, um zu wissen, wie sie gegen die Sünde vorgehen sollen. Sie sprechen zu Benjamin über das Böse, „das unter euch geschehen ist“ und nicht „unter uns“. Es ist uns vielleicht auch schon einmal aufgefallen, dass wir die Sünde bei dem anderen eher sehen als die bei uns selbst. Um jemand anders auf seine Sünde hinweisen zu können, muss zuerst Selbstgericht stattfinden. Das bedeutet, dass jemand selbst von Sünden frei sein muss, dass in seinem eigenen Leben keine ungerichtete Sünde vorhanden sein darf. Wenn jemand meint, sich mit den Sünden anderer beschäftigen zu müssen, während er in seinem eigenen Leben Sünden bestehen lässt, ist er ein Heuchler. Hierauf sind die Worte des Herrn Jesus anzuwenden, als Er sagt: „[Du] Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge heraus, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen“ (Mt 7,5). Persönliches Freisein von Sünden ist also eine erste Voraussetzung, der man durch Selbstgericht genügen muss. Mit diesem Selbstgericht ist allerdings noch eine zweite Voraussetzung verbunden. Wir können jemanden erst auf seine Sünde hinweisen, wenn wir uns bewusst werden, dass der Fehltritt, den er begangen hat, auch uns überkommen kann. Wir sind in nichts besser als der andere. In Galater 6 steht, wie wir diese Bedingung erfüllen können: „Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, [so] bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist [der] Sanftmut, wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest“ (Gal 6,1). Was Israel lernen muss, ist die Identifikation mit der Sünde, die begangen worden ist, und dass es nicht nur die Sünde einer Stadt oder eines Stammes ist. Bei der Sünde durch Achan kommt derselbe Grundsatz zum Ausdruck: „Und die Kinder Israel begingen Untreue an dem Verbannten; und Achan, … nahm von dem Verbannten“ (Jos 7,1). Es ist ein Mann, der sündigt, aber das ganze Volk wird von Gott für schuldig erklärt. Wenn Israel sich mit der Sünde Gibeas eins gemacht hätte, hätte Benjamin anders reagiert. Benjamin hätte dann ein Volk gesehen, das bereute und die Sünde bekannte, als ob sie selbst sie begangen hätten. Aber bei dem Volk sind keine brüderlichen Empfindungen zu verspüren. Es ist leichter, Dinge zu sehen, die verkehrt sind und die gerichtet werden müssen, als selbst mit diesen Dingen zu Gott zu gehen und sie so zu sehen und zu empfinden, wie Gott sie sieht und empfindet. Durch ihr Auftreten gaben sie allein Benjamin die Schuld und machten ihn für das verantwortlich, was geschehen war, ohne zu begreifen, dass es ein Übel betraf, das in ihrer Mitte, das in der Mitte Israels stattgefunden hat. Im Neuen Testament geht Paulus auf einen Fall von Sünde innerhalb der Gemeinde ein, der so schlimm ist, dass er selbst unter den Heiden nicht gefunden wird (1Kor 5,1). Was er den Korinthern vor allem übel nimmt, ist, dass sie kein Leid über die Tat getragen haben, die unter ihnen stattfindet (1Kor 5,2). Sie setzen das Zusammenkommen ruhig fort, als ob nichts geschehen ist. Das ist auch eine Weise, um sich nicht mit dem vorhandenen Bösen eins zu machen. Sowohl in Korinth als auch hier in Richter reagiert man auf das Böse auf eine eigensinnige Weise. Die Sache wird nicht Gott mit Beschämung über das, was geschehen ist, vorgelegt. Deshalb kann Er auch seinen Willen, wie gehandelt werden muss, nicht bekannt machen. Israel packt die Sache verkehrt an, aber das spricht Benjamin in seiner Reaktion darauf nicht frei. Was Benjamin tut, zeigt, dass er sich der abscheulichen Sünde nicht bewusst ist, die in seiner Mitte begangen worden ist. Der ganze Stamm macht sich auf diese Weise mit der Sünde eins. Die Sünde ist schlimm, noch schlimmer ist die Weigerung, die Sünde zu verurteilen. Sie verteidigen die Sünde sogar, obwohl sie die Sünde selbst nicht begangen haben, sondern nur einige böse Leute. Was als eine Strafexpedition gegen eine Stadt begann, entartet durch die Haltung Benjamins zu einem kompletten Bürgerkrieg. Weil sie das Böse in ihrer Mitte geduldet haben, beginnen sie es jetzt zu verteidigen und fangen einen Bruderkrieg an. Benjamin macht eine Stammesangelegenheit daraus. Über die Übeltäter selbst hören wir weiter nichts mehr. Wie aus 1. Korinther 5 geschlossen werden kann, kann in jeder örtlichen Gemeinde die schlimmste Sünde vorkommen. Wie schlimm und beschämend das auch ist, das Vorhandensein der schlimmsten Sünde kann kein Anlass für jemanden sein, eine Gemeinschaft von Christen zu verlassen. Was sehr wohl einen Anlass darstellt, sich von einer örtlichen Gemeinde abzusondern, ist die Weigerung, selbst das geringste Böse zu verurteilen. Dann ist es sogar notwendig, dass wir uns absondern, wenn wir zumindest nicht von Gott mit dem Ganzen gerichtet werden wollen. Das erste TreffenDie Standpunkte sind auf beiden Seiten deutlich gemacht worden. Es unterliegt keinem Zweifel mehr: Es besteht keine Hoffnung auf Wiederherstellung. Zahlenmäßig sind die Benjaminiter weitaus in der Minderheit, aber ihre Fähigkeiten gleichen das zu einem großen Teil aus. Es ist die Rede von „auserlesene[n] Männer[n], die linkshändig waren; diese alle schleuderten mit dem Stein auf das Haar und verfehlten nicht“ (Ri 20,16). Aber es können auserlesene Männer sein, die für ihre Genauigkeit und ihre Effektivität bekannt sind, wenn sie sich für eine böse Sache einsetzen, gebrauchen sie ihre Fähigkeiten wohl verkehrt. Wir können sie mit Menschen vergleichen, denen wir auch in der Christenheit begegnen können. Menschen, die in allem sehr genau sind und manchmal doch das Böse gutheißen. Wegen ihrer genauen Vorgehensweise bei der Sache scheint es so, als ob sie das Recht auch noch auf ihrer Seite hätten. Benjamin erringt wiederholt den Sieg. Doch wir sehen bald, wie das kommt. Bei den hinaufgezogenen Stämmen ist auch nicht alles so, wie es sein soll. Sicher, sie bitten Gott um Rat, aber sie tun das erst, nachdem sie beschlossen haben, wie sie vorgehen werden. Das Einzige, das sie noch wissen wollen, ist, welcher Stamm zuerst ausrücken soll. Diese Frage haben sie schon einmal zuvor gestellt (Ri 1,1). Aber was für ein Unterschied zwischen Richter 1 und hier. Dort stellten sie ihre Frage im Blick auf die Bekämpfung des Feindes, während sie hier gegen einen Bruder ausrücken wollen. Sie haben die Sache schon unter Dach und Fach. So können sich Situationen ergeben, in denen auch wir sagen, dass es unnötig sei, Gott um Rat zu bitten. Wir sehen, dass Sünde vorhanden ist, und wir sind unmittelbar bereit, um damit zu handeln, ohne dass der Gedanke in uns aufkommt, mit dieser Sünde zu Gott zu gehen und uns zuerst damit eins zu machen. Das ist in unseren Augen nicht erforderlich. Es gibt noch ein paar kleine Details zu klären, wie die Frage, wer mit dem in Sünde gefallenen Bruder oder der in Sünde gefallenen Schwester sprechen soll. Dafür suchen wir wohl zuerst noch Gottes Angesicht. Doch es ist mehr nötig, um von Gott gebraucht werden zu können, um angemessen mit dem Bösen handeln zu können, als allein eine schnelle Bereitschaft, als sein Werkzeug aufzutreten. Ihre Rache ist zu direkt, zu unangemessen, zu unbarmherzig. Es ist zu wenig das Bewusstsein vorhanden, dass sie das Gericht Gottes ausführen sollen. Sie bringen kein Sündopfer, was ein Beweis ihrer Einsmachung mit dem Bösen gewesen wäre. Sie rechnen mit ihrer Übermacht. Die Folge ist eine Niederlage. Durch diese Niederlage will Gott sie lehren, dass Zahlen für Ihn nicht zählen und dass ihr Vertrauen, dadurch den Sieg zu erringen, verkehrt ist. Dass die Israeliten geschlagen werden, kann die Folge der Tatsache sein, dass sie selbst auch nicht frei von den Einflüssen der verderblichen Praktiken der Kanaaniter sind. Dann kann auch keine Kraft zum Auftreten vorhanden sein. Was sie nötig haben, ist dieselbe Reinigung wie Benjamin. Das zweite TreffenDie Niederlage war ein schwerer Schlag. Dies hatten sie nicht erwartet. Sie sind doch mit einer gerechten Sache beschäftigt? Ihre große Anzahl ist doch auch ein Beweis dafür? Wie kommt es dann, dass sie geschlagen sind, statt dass die Übeltäter bestraft werden? Steht Gott denn an der Seite des sündigenden Stammes? All diese Fragen können sie sich selbst gestellt haben. Dennoch ist die erste Reaktion auf ihre Niederlage nicht, dass sie mit diesen Fragen zu Gott gehen. Das Erste, was sie tun, ist sich selbst neuen Mut zuzusprechen: „Und das Volk fasste Mut, die Männer von Israel, und sie stellten sich wieder in Schlachtordnung auf an dem Ort, wo sie sich am ersten Tag aufgestellt hatten.“ David tat es anders. Von ihm lesen wir, nachdem er durch seine eigene Schuld alles verloren hatte: „Aber David stärkte sich in dem HERRN, seinem Gott“ (1Sam 30,6). Die Israeliten fassen zuerst Mut, und dann erst fragen sie Gott. Sie sind immer noch nicht in der richtigen Stellung vor Gott, obwohl sie merklich vorsichtiger in ihren Fragen an Ihn sind. Sie müssen die Lektion noch lernen, dass sie in sich selbst nicht besser sind als ihr Bruder, die Lektion von dem Balken und dem Splitter aus Matthäus 7 (Mt 7,3-5). Es ist auch ein Fortschritt, dass sie jetzt über „meinen Bruder“ sprechen. Sie beginnen, ein Gefühl für die Tatsache zu bekommen, dass sie es mit jemandem von derselben Herkunft zu tun haben. Bei der Ausübung der Zucht ist es stets von Bedeutung, dass wir uns gut bewusst werden, dass sie nicht aus einer Haltung heraus, dass wir besser seien, geschehen darf. Elihu, der Hiob bezüglich seines Verhaltens im Blick auf Gott ermahnen musste, hat das begriffen. Er sagt treffend zu Hiob: „Siehe, ich bin Gottes wie du; vom Ton abgekniffen bin auch ich. Siehe, sein Schrecken wird dich nicht ängstigen, und mein Druck wird nicht schwer auf dir lasten“ (Hiob 33,6; 7). Wenn dies die Gesinnung Israels gewesen wäre, hätte dieser Kampf nicht so viele Opfer gekostet. Wenn dies die Gesinnung in so vielen Zuchtfragen der Gemeinde gewesen wäre, dann hätten viele Ausschlüsse nicht stattzufinden brauchen, oder hätte schon nach kurzer Zeit Wiederherstellung stattfinden können. Das bedeutet nicht, dass alle Zuchtangelegenheiten hätten verhindert werden können. Die Gemeinde ist zur Ausübung von Zucht verpflichtet, weil sie dies der Heiligkeit Gottes schuldet. Gott kann niemals etwas von Sünde unter seinem Volk bestehen lassen. Aber Zucht soll nur im Blick auf die Wiederherstellung desjenigen angewandt werden, der gesündigt hat. Sie darf nicht aus einer persönlichen Irritation oder aus Angst vor Gesichtsverlust hinsichtlich der Umgebung geschehen. Bevor sie ausrücken, stellen sie dem HERRN zuerst die Frage, ob sie wohl ausrücken sollen. Auch das ist ein Fortschritt, verglichen mit dem ersten Mal. Dennoch lässt Gott auch dieses zweite Treffen auf eine Niederlage für Israel hinauslaufen. Er ist mit ihnen noch nicht fertig. Die Vorbereitung zum dritten TreffenBevor die Israeliten mit dem Kampf gegen die Übeltäter begannen, hatten sie erwartet, dass sie einen leichten Sieg erringen würden. Sie würden die Kleinigkeit eben erledigen. Sie waren doch mit einer überwältigenden Mehrheit in den Kampf gezogen? Das Ergebnis dieser Haltung ist jedoch, dass sie jetzt schon zweimal geschlagen worden sind. Sie verstehen gar nichts mehr davon. In ihrer Ratlosigkeit wenden sie sich in Demut und mit Tränen wiederum zum HERRN in Bethel (= Haus Gottes) und fragen Ihn, ob sie wieder ausrücken sollen. Sie gehen sogar zum Fasten über. Es ist nun nicht mehr die Rede davon, dass sie Mut gefasst und sich wieder in Schlachtordnung aufgestellt haben. Sie begreifen, dass sie versagt haben. Es beginnt zu ihnen durchzudringen, dass Gott zuerst ihnen noch etwas zu sagen hat. Bevor sie Gott fragen, opfern sie „Brandopfer und Friedensopfer vor dem HERRN“. Das ist schön. Durch die Darbringung dieser Opfer sagen sie gleichsam, dass sie vor Gott allein auf der Grundlage des Wertes dieser Opfer bestehen können. Beide Opfer sprechen von dem Werk des Herrn Jesus am Kreuz. Das Brandopfer lässt dieses Werk als ein Werk erkennen, wodurch der Herr Jesus am Kreuz Gott vollkommen verherrlicht hat. Es ist ein Opfer, das ganz für Gott bestimmt ist (3Mo 1,1-17). Aufgrund dieses Opfers kann Gott sein Volk segnen und es annehmen. Es ist die einzige Grundlage, auf der das geschehen kann. Für uns kommt dies sehr schön in Epheser 1 zum Ausdruck, wo es heißt, dass Gott uns „angenehm gemacht hat in dem Geliebten“ (Eph 1,6). Ein Brandopfer bringen bedeutet also, dass wir uns bewusst sind, dass Gott uns in dem Wert des Werkes des Herrn Jesus ansieht und nicht aufgrund von irgendetwas in uns selbst. Das Friedensopfer ist ein Gemeinschaftsopfer. Darin kommt zum Ausdruck, dass durch das Werk des Herrn Jesus Gemeinschaft mit Gott, mit dem Herrn Jesus und mit allen Gliedern des Volkes Gottes möglich ist. Eine Beschreibung dieses Opfers finden wir in 3. Mose 3 und 7 (3Mo 3,1-17; 3Mo 7,11-21). Das Darbringen dieses Opfers bedeutet also, dass das Bewusstsein der Gemeinschaft, die unter dem Volk Gottes vorhanden ist, besteht. Darin ist auch Benjamin eingeschlossen. Aber da in dieser Gemeinschaft kein Platz für die Sünde sein darf – diese ist ja durch das Werk, von dem dieses Opfer spricht, gerichtet und weggetan worden –, muss die Sünde gerichtet werden. Wenn dann mit offenbar gewordener Sünde unter dem Volk Gottes gehandelt werden muss, geschieht das von der Bedeutung dieses Opfers aus, und nicht aus einem persönlichen Gram heraus oder von einem Gefühl des Gekränktseins als Gruppe aus. Es ist Gottes Absicht, dass die Kinder Israel damals (und wir heute) auf der Grundlage dieser Opfer stehen. Wir sind niemals in der richtigen Position, mit einem anderen zu handeln, bevor Gott nicht mit dem handeln konnte, was in unserer eigenen Seele im Widerspruch zu seinem Namen steht. Noch ein wichtiger Aspekt ist, dass das ganze Volk darin einbezogen ist. Wenn Übungen vorhanden sind, um in einem bestimmten Fall Zucht ausüben zu müssen, dürfen diese Übungen nicht auf einige Brüder beschränkt bleiben. Sie gehen die ganze örtliche Gemeinde an. Es geht dabei nicht um eine geheime Sünde, von der nur ein Einzelner weiß, sondern um etwas, das allgemein bekannt ist. Es liegt oft wenig Kraft in der Ausübung der Zucht, weil die Übung auf Einzelne beschränkt bleibt, die eine geistliche Gesinnung zeigen. Wenn wir mit einem Zuchtfall wirklich in Gottes Gegenwart kommen, können wir nicht mehr nur entrüstet sein. Dann ist auch wirkliche Trauer über das, was unter uns geschehen ist und wozu wir auch selbst in der Lage sind, vorhanden. Weiter ist noch von „der Lade des Bundes Gottes“ die Rede. Es ist das einzige Mal, dass im Buch Richter die Bundeslade erwähnt wird. Die Bundeslade ist ein wunderbares Bild Christi. Er ist die Grundlage für alles Handeln Gottes mit uns und unseres Handelns für Gott. Indem wir uns das immer vor Augen halten, werden wir davor bewahrt, in einem Geist zu handeln, der besser sein will als der andere. Und gerade Gericht über das Böse und die Absonderung davon ist keine Basis für Gemeinschaft; unsere Gemeinschaft als Heilige gründet sich allein auf Christus und seinen Tod. Dorthin muss Gott sein Volk durch die Züchtigung, die Er zulassen muss, bringen. Es geht hierbei nicht um einen Vergleich zwischen Benjamin und Israel, sondern um das, was böse ist in den Augen Gottes, und dass dies auf die Weise weggetan werden muss, die Er angibt. Er kann das Böse inmitten seines Volkes nicht dulden, weil Er inmitten seines Volkes wohnt. Das gilt auf genau dieselbe Weise heute für die örtliche Gemeinde, die zum Namen des Herrn Jesus hin zusammenkommt. Er hat darüber gesagt: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Das ist das einzige Motiv, weshalb die Sünde aus einer örtlichen Gemeinschaft entfernt werden muss. Bei dem Prozess, dem Gott sein Volk unterwirft, um sie in die richtige Gesinnung zu bringen, wird auch noch der Name von Pinehas genannt. Wie schon zuvor angemerkt, zeigt dies, dass die Zeit, in der dieses Ereignis stattfindet, kurz nach der Ankunft des Volkes im verheißenen Land anzusiedeln ist. Pinehas ist ein Mann, der in der Wüste für die Ehre Gottes geeifert hat. Als das Böse in das Lager eingedrungen ist, hat er es gerichtet, indem er die Übeltäter tötet (4Mo 25,6-15). Wir müssen mit der Eifersucht Gottes eifersüchtig sein und nicht mit unseren natürlichen Gefühlen. Bei Pinehas bestand eine heilige, priesterliche und geistliche Entrüstung. Bei ihm können wir Einsicht in Gottes Gedanken wahrnehmen. Dass das Volk zu ihm kommt, um den HERRN um Rat zu fragen, lässt uns auch erkennen, dass das Volk jetzt dort ist, wo es sein muss. Wir können sagen, dass Paulus der Pinehas des Neuen Testaments ist. Er hat sich enorm eingesetzt, um in allen Gemeinden den Willen des Herrn bekannt zu machen. Er hat stets gekämpft, als die Gläubigen durch verkehrte Lehre oder verkehrte Praktiken von Christus abzuweichen drohten. Hoffentlich wollen wir auch ein Pinehas sein. Das dritte TreffenWie das dritte Treffen zwischen Israel und Benjamin verläuft, wird sehr ausführlich beschrieben. Es beginnt mit dem Legen von Hinterhalten. Hier sprechen Hinterhalte, ebenso wie bei dem Kampf gegen Ai in Josua 8, von dem Erkennen der eigenen Schwachheit und dem Rechnen mit der verborgenen Kraft Gottes (Jos 8,1-29). Der Sieg wird errungen, indem von den Hilfsquellen Gebrauch gemacht wird, die für den Feind verborgen sind. Israel bekennt öffentlich, dass es schwach ist, indem es flüchtet. Es erscheint in der Tat als Schwachheit zu flüchten, aber es gibt den verborgenen Hilfsquellen (den Hinterhalten) die Gelegenheit, ihr Werk zu tun. Dies ist eine wunderbare Illustration des Gebets. Es erscheint schwach, wenn man auf den Knien liegt, aber es birgt Kraft in sich. Persönliche Erniedrigung vor Gott ist das große Geheimnis des Sieges. Darin wird Kraft für jede Ausübung von Zucht gefunden: für Eltern hinsichtlich ihrer Kinder und für die Gemeinde hinsichtlich der Übeltäter. Es ist dann auch nicht Israel, das Benjamin schlägt, sondern „der HERR schlug Benjamin vor Israel“ (Ri 20,35). Zuerst haben die Benjaminiter gedacht, dass sie auch dieses dritte Mal den Erfolg für sich verbuchen könnten. Die vorherigen Siege haben sie voller Selbstvertrauen und sogar übermütig gemacht (Ri 20,32; 39). Doch diesmal verbindet Gott seinen Segen mit der Strategie, die Israel gewählt hat. Sobald Benjamin aus der Stadt herauskommt, kommen die im Hinterhalt liegenden Kämpfer zum Vorschein, nehmen die ungeschützte Stadt in Besitz und stecken sie in Brand. In 5. Mose 13 lesen wir auch etwas über eine Stadt, die in Brand gesteckt wird. Das geschah, nachdem dort Männer zum Götzendienst aufgerufen hatten. Es steht dabei, dass diese Stadt „dem HERRN, deinem Gott, ganz und gar mit Feuer“ verbrannt wird (5Mo 13,17). Wir können somit sagen, dass die Sünde von Gibea genauso schwer bestraft wird wie der Götzendienst, von dem in 5. Mose 13 die Rede ist. Als die Benjaminiter die Stadt brennen sehen, schlägt der Siegesrausch in Angst um. Sie wollen ihren eigenen Augen nicht trauen, der Schock ist groß; ihre Kampflust vergeht, und sie wenden sich zur Flucht. Israel gönnt sich selbst keine Ruhe und jagt den Flüchtlingen nach. In einem fast an Raserei grenzenden Eifer töten sie beinahe alle Benjaminiter. Was die Folgen ihres zu weit gehenden Eifers sind, werden wir im nächsten und letzten Kapitel sehen. In diesem Augenblick kann Bilanz gezogen werden. Der Sieg ist errungen, das Böse gerichtet. Aber auch Verlust ist entstanden. Israel hat ungefähr 40.030 Mann verloren (Ri 20,21; 25; 31). Bei Benjamin sind mehr als 25.000 Mann gefallen, wodurch der Stamm so gut wie ausgerottet ist. Nur 600 Mann sind übriggeblieben. Wenn jemand nicht im Selbstgericht lebt, so dass die Sünde die Chance bekommt, sich Geltung zu verschaffen, und andere sich damit beschäftigen müssen, hat das immer Verlust zur Folge. Wenn die anderen sich dann auch auf eine nicht geistliche Weise mit der Entfernung dieser Sünde beschäftigen, ist der Schaden nicht zu übersehen. Die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass wir eine Quelle des Elends werden, sowohl für uns selbst als auch für andere, besteht darin, in enger Gemeinschaft mit dem Herrn und im Gehorsam seinem Wort gegenüber zu leben. © 2023 Autor G. de Koning Kein Teil der Publikationen darf – außer zum persönlichen Gebrauch – reproduziert und / oder veröffentlicht werden durch Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder irgendwelche andere Weise ohne die vorherige schriftliche Genehmigung des Daniel-Verlages, Retzow, Deutschland, oder des Autors. |