Richter 21
Judges 21 Kingcomments Bibelstudien

Einleitung

Im letzten Kapitel des Buches Richter werden die Folgen des Auftretens von Israel betrachtet. Die Lösungen, die bedacht werden, sprechen gewiss nicht von einer ungeteilten Rückkehr zum HERRN und von einem Fragen nach seinem Willen. Die Ergebnisse sind verheerend sowohl für Familien als auch für andere Unschuldige. Und alles dient dazu, das eigene Versagen nicht anerkennen zu müssen.

Die Sorge um den Fortbestand Benjamins

Es ist normal, dass nach dem Erringen eines Sieges ein Fest gefeiert wird. Das ist hier nicht der Fall. Der Sieg wird mit Tränen „gefeiert“: Es wird laut geweint. Es waren mehr als 65.000 Israeliten getötet worden. Die wahren Feinde können hingegen jauchzen. Sie haben so viele Widersacher weniger. Der Feind lacht sich ins Fäustchen, wenn Brüder einander bekämpfen. Von ihnen hat er nichts zu befürchten.

Als Israel nach der Bestrafung Benjamins die Folgen besieht, kommen zwei Dinge ans Licht. Erstens ist ein Eid geschworen worden: Niemand soll seine Tochter den Benjaminitern geben. Zweitens war bis auf 600 Mann der ganze Stamm ausgerottet worden. Wenn es für Benjamin noch ein Fünkchen Hoffnung auf das Überleben gab, dann hatten sie dies durch ihren Eid unmöglich gemacht.

Dies bringt sie zu einem Rufen zu Gott. Was sie in ihrer Bitte zu Gott zum Ausdruck bringen, lässt erkennen, dass sie nicht wirklich bis zur Wurzel des Problems durchgedrungen sind. Trotz all ihrem Weinen ist nur ein oberflächliches Verständnis dessen vorhanden, was geschehen ist. Sie können doch ihre Frage selbst beantworten. Sie haben es ja selbst verursacht.

Auch die Korinther konnten sich fragen, wie es kam, dass unter ihnen viele krank und nicht wenige entschlafen waren (1Kor 11,29-32). Das lag wahrhaftig nicht an erster Stelle an den Kranken und Entschlafenen, es lag an dem Zustand, in dem sich die ganze Gemeinde befand. Die Züchtigung ist nicht nur für diejenigen, die sie erleiden, sondern muss von der ganzen Gemeinde gefühlt werden. Zucht über Mitgläubige soll uns
1. nicht gleichgültig lassen, als ob sie allein die anderen betreffen würde, und
2. uns auch nicht böse auf Gott werden lassen, als ob Er willkürlich handeln würde.

Gott hat mit seiner Zucht immer ein Ziel. Wir können uns am besten fragen, inwieweit Gott durch unsere eigene Torheit und unser fleischliches Handeln Zucht über andere kommen ließ, um uns zu erreichen.

Die Israeliten vermissen Benjamin dennoch. Empfinden wir es auch, wenn jemand hinausgetan werden musste? Werden sich die Israeliten plötzlich bewusst, dass die Strafe weiter gegangen ist, als es beabsichtigt war? Dadurch erhält ihr Eid einen bedrohlichen Charakter. Sie kommen nicht darum herum, und doch wollen sie Benjamin mit Frauen versorgen.

Bevor sie mit einer Lösung kommen, bauen sie zuerst einen Altar und bringen darauf Brandopfer und Friedensopfer. Sie tun hiermit, was sie auch in Richter 20 getan haben (Ri 20,26). Es scheint so, als ob sie dies wegen der guten Wirkung tun, die das Opfern gehabt hat und nicht mit einem Herzen, das in Gemeinschaft mit Gott ist. Es ist eine mehr oder minder abergläubische Handlung. Sie dachten vielleicht: Wenn es damals wirkte, wird es jetzt genauso gut wirken. Was sie dabei vergessen, ist, dass es zuvor aus einer richtigen Gesinnung geschah. Aus der Fortsetzung wird deutlich, dass ihr Herz nicht wirklich bei Gott ist.

Benjamin mit Frauen versorgt

In seinem Eifer bei der Bekämpfung des Bösen hat Israel einen unbesonnenen Eid ausgesprochen. Diesen Eid hätten sie nie schwören dürfen, aber anstatt das anzuerkennen, begeben sie sich auf die Suche nach einer Lösung. Dieser Eid muss nun über einen Umweg umgangen werden. Das geschieht immer, wenn Eide geschworen werden, ohne dass Gott dabei einbezogen worden ist. Die Folge ist ein neuer Bruderstreit.

Sie haben auch noch einen anderen Eid geschworen, nämlich, dass derjenige, der nicht mitging, um die Sünde Gibeas zu bestrafen, getötet werden sollte. Bei der Nachforschung zeigt sich, dass Jabes zu Hause geblieben war. Beschlossen wird, dass Jabes, der Gleichgültigkeit dem Bösen gegenüber an den Tag gelegt hat, dasselbe Los erleiden soll wie das Böse. Jabes hat argumentiert, dass es sie nichts anging, und verhielt sich damit unabhängig.

Für unsere Zeit können wir hieraus lernen, dass das Böse, das in der einen örtlichen Gemeinde gefunden wird, eine andere örtliche Gemeinde nicht gleichgültig lassen darf. Alle örtlichen Gemeinden haben dieselbe Verpflichtung: Das Böse muss aus ihrer Mitte weggetan werden (1Kor 5,13).

Wenn eine örtliche Gemeinde sich weigert, das zu tun, werden geistliche Brüder versuchen diese Gemeinde davon zu überzeugen das Böse aus ihrer Mitte zu wegzutun. Wenn alle Versuche, um eine solche Gemeinde zur Verurteilung des Bösen zu bringen, versagen, kann eine solche Gemeinde nicht länger als eine Gemeinde anerkannt werden, mit der der Herr seinen Namen verbindet. Eine solche Gemeinde wird mit dem Bösen identifiziert, und der Herr kann dort nicht länger in der Mitte sein.

Trotz der Tatsache, dass die Folgerung der Israeliten richtig ist, scheinen sie hier wiederum aus einer Nützlichkeitserwägung heraus zu handeln. Sie konnten diesen Grundsatz gut für die Auflösung eines Problems gebrauchen, das durch ihre eigene Schuld entstanden ist. Sie können sich dafür, dass sie die Mädchen am Leben lassen, sogar auf 4. Mose 31 berufen (4Mo 31,17; 18). So meinen sie, für das Fortbestehen Benjamins sorgen zu können. Leider ist die Anzahl der Mädchen unzureichend.

Noch mehr Frauen für Benjamin

Alle Überlegungen und Handlungen in diesem Kapitel tragen das Merkmal der letzten Verse. Jeder Israelit hat sein eigenes Gesetz. Nach Gott und seinem Willen wird nicht gefragt. Der Eid, den sie geschworen haben, muss, wie auch immer, gehalten werden. Solange sie nur ihren Eid halten können, machen sie sich kein Gewissen daraus, die engsten Familienbande zu zerreißen. Ihr Gewissen ist dabei ruhig, doch das ist natürlich schon lange abgestumpft.

Alles wird nach dem Maßstab getan, was recht ist in ihren Augen: Micha tut was recht ist in seiner frommen Götzendienst; seine Mutter tut was recht ist in ihrer Beziehung mit ihrem Sohn; die Daniter tun was recht ist auf ihren verkehrten Wegen; die Stämme tun was recht ist, indem sie das Böse richten und Eide schwören. Jeder tut, was recht ist, aber nicht, was recht ist in Gottes Augen.

Jetzt muss auch noch nach 200 anderen Frauen für die übrig gebliebenen Benjaminiter Ausschau gehalten werden, ohne dass der Eid gebrochen zu werden braucht. Es wird eine neue Idee geäußert. Da sie gewissenhaft sind und ihren Eid halten wollen, können sie ihre Töchter natürlich nicht geben, aber sie kommen auf die Idee, Mädchen stehlen zu lassen. Ein Fest des HERRN ist dafür eine ausgezeichnete Gelegenheit, meinen sie. Sie brauchen dann ihre Hände nicht schmutzig zu machen, das können die Benjaminiter gut selbst tun. Hier stiften die Israeliten wohlgemerkt ihren Bruder zu einem unter dem Gesetz strengstens verbotenen Menschenraub an, nur um ihren Eid halten zu können.

Dies erinnert an das abscheulichste Verbrechen aller Zeiten, nämlich den Tod des Herrn Jesus. Seine Widersacher sind auch Menschen mit einem peinlich genauen, aber verzerrtem Gewissen. Um nicht verunreinigt zu werden und das Passah doch essen zu können, gehen die Führer des Volkes nicht in das Prätorium hinein, während sie nichts anderes wünschten als den Tod dessen, von dem das Passah spricht (Joh 18,28). Sie überliefern Ihn an Pilatus, damit dieser Ihn kreuzigt, dann brauchen sie sich nicht an seinem Tod zu versündigen (Joh 18,31). So kann ein Mensch sehr gewissenhaft sein, wenn es darum geht, sich nicht an etwas zu besudeln, das er als verkehrt ansieht, während er mit größter Leichtigkeit andere zu den größten Missetaten anstiftet.

Benjamin bekommt den Rat, die Mädchen zu stehlen. Dann bleibt der Eid, bei dem sie geschworen hatten, ihnen keine Mädchen zu geben, aufrechterhalten. Benjamin folgt ihrem Rat, woraus wir schließen können, dass sie durch alle Geschehnisse nicht näher zu Gott gekommen sind. Die Unmoral, die unter ihnen gefunden wurde, mag dann bestraft worden sein, sie ist aber noch nicht aus ihren Herzen vertrieben.

Schluss

Das Heer wird entlassen. Alle kehren an ihren eigenen Wohnort zurück. Ob sie alle die Lektion gelernt haben, wird sich erst noch zeigen müssen. Haben wir die Lektion gelernt, habe ich sie gelernt? Der letzte Vers wiederholt die düsteren Worte, mit denen dieser Abschnitt in Richter 17 beginnt (Ri 17,6). Wahrlich kein „happy end“ in diesem Buch.

Um sehen zu können, dass Gott, trotz des Verfalls seines Volkes, doch in Gnade seine Pläne ausführt und auf sein Ziel hinarbeitet, müssen wir das Buch Ruth lesen. Genauso wie Richter 17–21 bildet dieses Buch in einer anderen Hinsicht einen Anhang zum Buch Richter. Das Buch Ruth beginnt mit den Worten: „Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten“ (Ri 1,1). Was wir danach lesen, ist eine wunderbare Schilderung der Gnade Gottes. Das Buch endet mit dem Namen „David“, dem Mann, den Gott dazu auserwählt hat, König über sein Volk zu sein. David ist ein Vorbild auf den Herrn Jesus.

Was der Heilige Geist bei uns bewirken will, wenn wir so das Buch Richter zu uns haben reden lassen, ist, dass wir danach verlangen, die Herrschaft in unserem Leben dem Herrn Jesus zu übergeben und nach der Zeit Ausschau zu halten, da alles im Himmel und auf Erden seinen Füßen unterworfen sein wird.

Was der Heilige Geist auch uns durch dieses Buch lehren will, ist, dass wir gerade in Zeiten des Verfalls Glaubenssiege erringen können. Der Schreiber des Hebräerbriefes führt in eine Anzahl Menschen an, die aus diesem Glauben gelebt haben (Heb 11,1-40). Darunter nennt er Namen, denen wir während unserer Studien des Buches Richter begegnet sind: „Gideon, Barak, Simson, Jephta“ (Heb 11,32). Sie gehören zu der „Wolke von Zeugen“, über die er in Hebräer 12 schreibt (Heb 12,1). Er vergleicht das Leben des Christen, der durch Glauben lebt, mit dem Leben eines Athleten, der im Stadion an einem Wettlauf teilnimmt.

Wir können das Buch Richter als ein Zuschauer gelesen haben, der sich von der Tribüne aus ein Schauspiel in mehreren Akten ansieht. Wir sind dann nicht wirklich darin einbezogen gewesen. Was der Heilige Geist will, ist, dass wir die Ereignisse miterleben. Dann werden die Rollen vertauscht. Die Tribünen werden dann von den zahllosen Gläubigen bevölkert, von denen der Schreiber in Hebräer 11 eine Anzahl genannt hat und unter denen sich auch Richter befinden. Und wir sind diejenigen, auf die sie blicken. Jetzt sind wir an der Reihe zu laufen.

Aber die „Gläubigen der früheren Tage“ sitzen dort, um uns zu ermutigen. Sehen wir ihre strahlenden Gesichter? Sie wissen, wie schwierig der Wettkampf manchmal sein kann und was für ein Ausharren dafür nötig ist. Sie haben ausgeharrt und haben das Ziel schon erreicht.

Darum rufen sie uns zu: „Gehe weiter, harre aus, gib nicht auf, es ist der Mühe wert!“ Wir hören ihre Anfeuerungen um uns her, sie hallen in unseren Ohren wider. Dadurch wird unser Einsatz in dem Wettlauf noch größer. Schauen wir dabei nicht auf die Dinge um uns her. Wir sollen auch nicht zurückblicken.

Es geht nur darum, dass wir unser Auge ausschließlich und allein richten „auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, [die] Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude [das] Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Denn betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet“ (Heb 12,2; 3).

© 2023 Autor G. de Koning

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